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1Q84: Buch 1&2

Titel: 1Q84: Buch 1&2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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ausdrücken kann.«
    Die alte Dame beugte sich vor, streckte die Hände aus und legte sie für etwa zehn Sekunden auf Aomames. Dann nahm sie sie wieder fort und ließ sich mit zufriedener Miene zurückfallen. Schmetterlinge umflatterten sie, und ein kleiner weißer mit tiefrotem Muster ließ sich auf der Schulter ihres blauen Arbeitskittels nieder und schlief ein, als würde er keine Furcht kennen.
    »So einen Schmetterling haben Sie sicher noch nie gesehen«, sagte die alte Dame mit einem kurzen Blick auf ihre Schulter. In ihrer Stimme klang ein Anflug von Stolz mit. »Er stammt aus Okinawa, aber auch dort ist diese Art nicht leicht zu finden. Sie ernähren sich ausschließlich von einer bestimmten Blume. Einer Blume, die nur in den Bergen von Okinawa blüht. Um diese Schmetterlinge zu halten, muss man zuerst diese Blume hierhertransportieren und züchten. Das kostet viel Mühe. Und billig ist es natürlich auch nicht.«
    »Das Tierchen scheint Ihnen völlig zu vertrauen.«
    Die Chefin lächelte. »Ich glaube, er ist mein Freund.«
    »Kann man mit Schmetterlingen Freundschaft schließen?«
    »Dazu muss man zuerst Teil der Natur werden. Seine Eigenschaft als Mensch ablegen und sich selbst unumstößlich als Baum, Gras oder Blume empfinden. Das braucht Zeit, aber wenn die Natur nicht mehr auf der Hut vor dir ist, dann kannst du Freundschaft mit ihr schließen.«
    »Geben Sie den Schmetterlingen Namen?«, fragte Aomame neugierig. »Also jedem einzelnen, wie man es bei Hunden oder Katzen tut?«
    Die Besitzerin schüttelte leicht den Kopf. »Nein. Ich kann auch so jeden einzelnen von ihnen an seiner Zeichnung erkennen. Außerdem würde es sich nicht lohnen, denn Schmetterlinge sind nicht sehr langlebig. Sie sind namenlose Freunde für einen kurzen Augenblick. Ich komme jeden Tag hierher, begrüße die Schmetterlinge und bespreche alles Mögliche mit ihnen. Doch wenn ihre Zeit gekommen ist, verschwinden sie lautlos irgendwohin. Gewiss sterben sie, aber ich habe noch nie einen toten Schmetterling gefunden, auch wenn ich danach gesucht habe. Es bleibt nicht die geringste Spur von ihnen zurück, als würden sie in den leeren Raum gesogen. Schmetterlinge sind äußerst flüchtige, anmutige Lebewesen. Sie werden geboren, folgen still ihren begrenzten winzigen Bedürfnissen und verschwinden unmerklich wieder. Vielleicht in eine andere Welt.«
    Die vom Duft der Pflanzen erfüllte Luft im Gewächshaus fühlte sich warm und feucht an. Überall verbargen sich Schmetterlinge, hier und da wie vergängliche Markierungen, die einen Bewusstseinsstrom ohne Anfang und Ende unterteilten. Sooft Aomame das Gewächshaus betrat, hatte sie den Eindruck, ihr Gefühl für Zeit zu verlieren.
    Tamaru brachte ein Metalltablett mit zwei Tassen, einer schönen Teekanne aus Seladon und Stoffservietten. Ein kleiner Teller mit Keksen stand ebenfalls dabei. Der Duft des Kräutertees mischte sich mit dem der Blumen.
    »Danke, Tamaru. Um alles andere kümmere ich mich«, sagte seine Herrin.
    Tamaru stellte das Tablett auf den Gartentisch, verbeugte sich und ging auf leisen Sohlen hinaus. Beim Verlassen des Gewächshauses bewegte er sich ebenso behände wie beim Betreten. Die alte Dame hob den Deckel der Teekanne und atmete den Duft ein. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die Blätter aufgegangen waren, goss sie abwechselnd Tee in die Tassen. Dabei achtete sie darauf, dass seine Konzentration in beiden gleich war.
    »Es ist vielleicht eine dumme Frage, aber warum haben Sie keine Tür aus Fliegengitter?«, fragte Aomame.
    Die Chefin hob den Kopf und blickte Aomame an. »Fliegengitter?«
    »Ja, wenn Sie von innen eine zweite Tür aus Fliegengitter anbringen würden, müsste man sich nicht so vorsehen, dass die Schmetterlinge nicht hinausfliegen.«
    Den Unterteller in der linken, führte die Chefin die Tasse mit der rechten Hand zum Mund und nahm lautlos einen Schluck von ihrem Kräutertee. Sie sog genießerisch den Duft ein und nickte leicht. Sie stellte die Tasse auf den Unterteller zurück und beides wieder auf das Tablett. Nachdem sie sich die Mundwinkel betupft hatte, legte sie sich die Serviette auf den Schoß. Für diese wenigen Bewegungen brauchte sie mindestens dreimal so lange wie ein normaler Mensch. Wie eine Fee im Wald, die sich an duftendem Morgentau labt, dachte Aomame.
    Die Chefin räusperte sich leise. »Ich mag keine Gitter«, sagte sie.
    Aomame wartete schweigend, doch sie sprach nicht weiter. Es blieb unklar, ob es sich um eine

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