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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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dort jemand auf ihn. Oder dieser Jemand würde noch kommen. Wenn das der Fall war, musste Ushikawa unbedingt wissen, um wen es sich handelte. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als am Straßenrand zu stehen und den Eingang zum Gerstenkopf zu beobachten, und wenn ihm dabei die Ohren abfroren. Ushikawa verbannte den Gedanken an Hähnchen mit Ei auf Reis und heißen Sake aus seinem Kopf.
    Vielleicht war es Fukaeri, mit der er verabredet war. Oder Aomame. Ushikawa ermannte sich. Beharrlichkeit war seine besondere Stärke. Wenn auch nur die geringste Aussicht bestand, würde er die letzten Reserven mobilisieren. Selbst peitschender Sturm, glühende Sonne und Stockschläge würden ihn nicht dazu bringen, seine Beute loszulassen. Denn wenn man sie einmal aus den Fängen ließ, konnte man nie wissen, wann man sie das nächste Mal zu fassen bekam. Außerdem hatte er bereits am eigenen Leib erfahren, dass es auf der Welt viel Schlimmeres gab, als ein bisschen in der Kälte zu stehen.
    Ushikawa postierte sich also hinter einem Strommast und einem Plakat der Kommunistischen Partei Japans und beobachtete, an eine Mauer gelehnt, den Eingang zum Gerstenkopf. Abgesehen davon, dass er von Zeit zu Zeit ein Papiertaschentuch hervorzog, um sich die Nase zu schnäuzen, rührte er sich nicht. Hin und wieder wehte der Wind eine Ansage vom Bahnhof Koenji zu ihm herüber. Einige der Passanten gewahrten Ushikawa im Schatten und beschleunigten vor Schreck ihre Schritte. Doch im Dunkeln war sein Gesicht nicht zu erkennen. Nur seine stämmige Gestalt zeichnete sich dunkel ab wie eine unheilvolle Statue und jagte den Vorübergehenden einen Schrecken ein.
    Was Tengo wohl gerade aß und trank? Je länger Ushikawa darüber nachdachte, desto hungriger wurde er und desto mehr fror er auch. Aber er konnte nicht umhin, es sich vorzustellen. Er hätte sich gern irgendwohin ins Warme gesetzt und eine anständige Mahlzeit gegessen und etwas getrunken. Egal was, auch wenn es kein Oyako-domburi und kein heißer Sake war. Alles war besser, als hier herumzustehen und die argwöhnischen Blicke der Passanten zu ertragen.
    Aber Ushikawa hatte gar keine andere Wahl, als bei Wind und Kälte in der Dunkelheit auszuharren, bis Tengo aus dem Lokal kam. Er dachte an sein Haus in Chuorinkan und den Esstisch dort, auf dem sicher jeden Abend eine warme Mahlzeit gestanden hatte. Aber er konnte sich nicht erinnern, was es gegeben hatte. Was hatten sie damals nur immer gegessen? Das Ganze kam ihm vor wie etwas aus einem früheren Leben. Es war einmal, fünfzehn Minuten zu Fuß vom Bahnhof Chuorinkan in Yamato entfernt, ein neues, schönes Haus, in dem jeden Tag warme Mahlzeiten auf dem Tisch standen. Es lebten dort zwei kleine Mädchen, die Klavier spielten, und auf dem Rasen in dem kleinen Garten davor tollte ein reinrassiger Welpe herum.
     
    Fünfunddreißig Minuten später kam Tengo allein aus dem Lokal. Nicht schlecht. Es hätte viel schlimmer kommen können, sagte sich Ushikawa. Es waren elende fünfunddreißig Minuten gewesen, aber weit weniger elend als zum Beispiel anderthalb Stunden. Ihm war zwar kalt, aber die Ohren waren ihm nicht abgefroren. Während sich Tengo im Gerstenkopf aufgehalten hatte, hatte lediglich ein junges Paar das Lokal betreten. Herausgekommen war niemand. Vermutlich hatte Tengo nur etwas getrunken und eine Kleinigkeit gegessen. Allein. Etwa zehn Minuten lang folgte Ushikawa ihm im gleichen Abstand wie zuvor. Tengo nahm den Weg, den er gekommen war. Wahrscheinlich wollte er in seine Wohnung zurück.
    Doch unterwegs wich er von dieser Route ab und bog in eine Ushikawa unbekannte Straße ein. Anscheinend wollte er doch nicht direkt nach Hause. Wieder wirkte sein breiter Rücken wie der eines Menschen, der tief in Gedanken versunken ist. Mehr noch als zuvor. Tengo drehte sich auch nicht mehr um. Ushikawa betrachtete die Umgebung, las die Hausnummern und versuchte, sich die Strecke einzuprägen, damit er sie am nächsten Tag noch einmal gehen konnte. Er kannte sich in der Gegend nicht aus, aber am zunehmenden Rauschen des Verkehrs, das ihn an einen Fluss erinnerte, erkannte er, dass sie sich der Ringstraße 7 näherten. Unterdessen beschleunigte Tengo seine Schritte ein wenig, wahrscheinlich war er fast am Ziel.
    Nicht schlecht, dachte Ushikawa. Der Mann geht irgendwohin . Die Mühe hat sich gelohnt.
    Rasch durchquerte Tengo ein Wohnviertel. An diesem kalten, windigen Samstagabend blieben die Menschen lieber in der warmen Wohnung vor dem

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