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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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war sehr früh am Morgen aufgebrochen. Anscheinend konnten die beiden aus irgendeinem Grund nicht miteinander telefonieren, aber sie hatte Tengo etwas sehr Wichtiges mitzuteilen und musste deshalb hierherkommen, selbst wenn es ein Risiko für sie bedeutete. Und wenn sie das nächste Mal auftauchte, musste er unter allen Umständen herausfinden, wohin sie ging. Auf diesen Fall musste er gründlich vorbereitet sein.
    Vielleicht konnte er dabei auch etwas von dem Geheimnis der beiden Monde lüften. Ushikawa hätte gern etwas über dieses hochinteressante Phänomen erfahren. Aber letztlich war diese Frage nur sekundär. Seine höchste Priorität war es, herauszufinden, wo Aomame sich versteckt hielt. Und sie mit großer Geste den beiden unheimlichen Kerlen auszuliefern. Bis dahin sollte es seine Sorge nicht sein, ob es zwei Monde gab oder nur einen. Er musste pragmatisch bleiben. Und das war schließlich seine besondere Stärke.
     
    Ushikawa ging in das Express-Labor am Bahnhof und gab fünf Filme zu je sechsunddreißig Bildern ab. Die fertigen Abzüge nahm er mit in ein Imbiss-Restaurant in der Nähe und betrachtete sie in der Reihenfolge ihres Datums, während er eine Portion Curryhuhn verzehrte. Auf so gut wie allen waren die bekannten Gesichter der Hausbewohner. Interesse hatte Ushikawa nur an den Fotos von drei Personen: Fukaeri, Tengo und der rätselhaften Frau vom Abend zuvor.
    Fukaeris Augen versetzten ihn in Unruhe. Auch auf der Fotografie sah das junge Mädchen ihm frontal ins Gesicht. Kein Zweifel, dachte Ushikawa, sie hatte gewusst, dass er dort lauerte und sie beobachtete. Und wahrscheinlich auch, dass er sie mit einer versteckten Kamera fotografierte. Es war an ihren klaren Augen abzulesen. Sie hatte alles durchschaut und Ushikawas Verhalten keineswegs gebilligt. Ihr direkter Blick hatte sein Herz erbarmungslos durchbohrt. Für das, was er tat, gab es keine Entschuldigung. Doch zugleich verurteilte sie ihn nicht, sie verachtete ihn nicht einmal sonderlich. In gewisser Weise vergaben ihm diese schönen Augen sogar. Oder nein, vergeben konnte man eigentlich nicht sagen, revidierte Ushikawa seinen Gedanken. Eher lag so etwas wie Mitgefühl in ihrem Blick. Sie bemitleidete ihn ob seiner schmutzigen Machenschaften.
    All das hatte sich innerhalb kürzester Zeit abgespielt. Fukaeri hatte an jenem Morgen zunächst einen Moment lang zu den Strommasten hinaufgeschaut, dann jäh den Kopf Ushikawas Fenster zugewandt und direkt in die Linse der getarnten Kamera und durch den Sucher in Ushikawas Auge geblickt. Dann war sie gegangen. Die Zeit war zum Erliegen gekommen und dann weitergelaufen. Das Ganze konnte höchstens drei Minuten gedauert haben. In dieser kurzen Zeit hatte das Mädchen tief in Ushikawas Seele geblickt und erkannt, wie schmutzig und schamlos er war, hatte ihm ihr stummes Mitgefühl geschenkt und war verschwunden.
    Als sie ihn ansah, hatte er einen heftigen Stich in der Brust verspürt, als habe man ihm eine Tatami-Nadel zwischen die Rippen gestoßen. Das schöne Mädchen hielt ihn für eine abartige, missgestaltete Kreatur. Und wennschon?, dachte Ushikawa. Ich bin ich ja wirklich eine abartige, missgestaltete Kreatur . Doch das natürliche, unverstellte Mitgefühl in Fukaeris Augen senkte sich zunehmend tiefer in Ushikawas Herz. Da war es ja noch besser, offen angeklagt, verachtet und verurteilt zu werden. Oder nach Strich und Faden mit einem Baseballschläger verprügelt zu werden. Das hätte er ertragen. Aber dies ?
    Im Vergleich dazu war der Umgang mit Tengo sehr viel bequemer. Das Foto zeigte ihn an der Haustür stehend und gleichfalls in Ushikawas Richtung blickend. Ebenso wie Fukaeri hatte er aufmerksam die Umgebung sondiert. Aber in seinen Augen spiegelte sich rein gar nichts. Sein harmloser, unwissender Blick entdeckte weder die hinter der Gardine versteckte Kamera noch Ushikawa.
    Als Nächstes nahm er sich die drei Fotos vor, die er von der mysteriösen Frau gemacht hatte. Baseballmütze, dunkle Brille, grauer Schal bis über die Nasenspitze. Ihr Gesicht war nicht zu erkennen. Das Licht war ohnehin schwach, und zusätzlich warf der Mützenschirm seinen Schatten darauf. Dennoch entsprach diese Frau genau dem Bild, das Ushikawa sich von Aomame machte. Er hielt die drei Fotos in der Hand wie ein Kartenspieler, der sein Blatt prüft. Je länger er sie ansah, desto überzeugter wurde er, dass es sich bei dieser Frau nur um Aomame handeln konnte.
    Er rief die Bedienung und erkundigte sich nach dem

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