1Q84: Buch 3
das gewesen sein?«
»Wahrscheinlich an dem Abend, als ich im Hotel Okura war und es das Unwetter gab.«
Die alte Dame stieß einen kurzen Seufzer aus. »Sie können den Zeitpunkt also genau bestimmen?«
»Ja. Wenn ich zurückrechne, müsste es an diesem Tag gewesen sein. Zu der Zeit hatte ich auch meinen Eisprung.«
»Demnach wären Sie jetzt ungefähr im zweiten Monat.«
»Ja, stimmt«, sagte Aomame.
»Ist Ihnen morgens übel? Normalerweise wäre das jetzt am schlimmsten.«
»Nein, überhaupt nicht.«
Die alte Dame sprach langsam und überlegt. »Und was werden Sie tun, wenn sich bei dem Test herausstellen sollte, dass Sie wirklich schwanger sind?«
»Mir darüber klar werden, wer der biologische Vater des Kindes sein könnte. Das ist natürlich die wichtigste Frage für mich.«
»Haben Sie denn einen Anhaltspunkt, wer es sein könnte?«
»Im Augenblick noch nicht.«
»Ich verstehe«, sagte die alte Dame mit sanfter Stimme. »Jedenfalls werde ich, was auch geschieht, immer für Sie da sein und alles tun, was in meiner Macht steht, um Sie zu beschützen. Bitte vergessen Sie das nie.«
»Es tut mir leid, dass ich Sie mit diesen Dingen belaste«, sagte Aomame.
»Sie belasten mich nicht. Für eine Frau sind das sehr entscheidende Fragen. Sie machen jetzt erst einmal den Test, und dann überlegen wir zusammen, was zu tun ist«, sagte die alte Dame.
Damit legte sie leise auf.
Es klopfte an der Tür. Aomame, die gerade auf dem Boden des Schlafzimmers mit Yoga-Übungen beschäftigt war, hielt in ihrer Bewegung inne und lauschte. Das Klopfen klang laut und hartnäckig. Sie erinnerte sich sofort daran.
Sie nahm die Pistole aus der Schublade und steckte sie entsichert hinten in den Bund ihrer Trainingshose. Dann schlich sie ins Esszimmer, packte ihren Softball-Schläger mit beiden Händen und blickte grimmig zur Tür.
»Frau Takai«, sagte die laute raue Stimme. »Frau Takai, sind Sie da? Ich komme von NHK . Ich bin hier, um Ihre Rundfunkgebühren zu kassieren.«
Der Griff des Schlägers war mit rutschfestem Kunststoff überzogen.
»Frau Takai, ich wiederhole mich, aber ich weiß, dass Sie da drin sind. Also lassen Sie jetzt dieses sinnlose Versteckspiel. Frau Takai, Sie sind da drin und hören meine Stimme.«
Der Mann benutzte fast genau die gleichen Worte wie beim letzten Mal. Als würde er ein Tonband abspielen.
»Sie dachten wohl, das sei eine leere Drohung, als ich sagte, ich käme wieder. O nein, ich halte mich an das, was ich gesagt habe. Wenn es Geld zu kassieren gibt, kassiere ich es unter allen Umständen. Frau Takai, Sie sind da drin und lauschen. Ich weiß auch, was Sie denken. Sie denken: Wenn ich mich nur ruhig verhalte, gibt der Kerl schon irgendwann auf und verschwindet.«
Wieder hämmerte er gegen die Tür. Zwanzig- oder fünfundzwanzigmal. Was musste dieser Mann für Hände haben? Und warum klingelte er nicht?
»Ich weiß genau, was Sie denken«, sagte der Mann, als würde er ihre Gedanken lesen. Sie denken: »Der Mann muss kräftige Hände haben. Wer so stark klopft, dem müssen doch die Hände wehtun. Stimmt’s? Außerdem fragen Sie sich, warum ich überhaupt klopfe und nicht die Klingel benutze.«
Aomame verzog unwillkürlich das Gesicht.
»Aber einfach nur läuten passt mir nicht. Wenn ich die Klingel drücke, kommt nur ein harmloses Ding-Dong zustande, und es könnte jeder sein. Klopfen ist dagegen viel persönlicher. Nur bei körperlichem Einsatz spürt man, dass wirklich ein Mensch aus Fleisch und Blut dahintersteht. Natürlich schmerzt mir mitunter die Hand. Ich bin ja nicht Superman. Aber da kann man nichts machen. Schließlich ist das mein Beruf. Und in seinem Beruf sollte man sich niemals schonen. Sind Sie nicht auch dieser Ansicht, Frau Takai?«
Wieder ertönte lautes Klopfen. Insgesamt siebenundzwanzigmal wurde in regelmäßigen Abständen gegen die Tür geschlagen. Aomames Hände auf dem Metallschläger wurden feucht.
»Frau Takai, es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass Personen, die Rundfunksignale empfangen, Gebühren an den Sender NHK entrichten müssen. So ist das eben. Das sind die Regeln. Wollen Sie nicht so gut sein und zahlen? Mir gefällt es doch auch nicht, hier gegen Ihre Tür zu schlagen, und Sie, Frau Takai, wollen diese Unannehmlichkeiten bestimmt auch nicht ewig über sich ergehen lassen. Warum machen Sie es sich so schwer? Also bitte, zahlen Sie Ihre Gebühren. Dann haben Sie wieder Ihre Ruhe.«
Die Stimme des Mannes schallte nur so durchs
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