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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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liebevoll vor den rücksichtslosen Blicken, dem kalten Wind und anderem Übel.
    Das war ein gutes Zeichen.
    Aomames Züge entspannten sich. Ihr Gesicht nahm wieder seinen normalen Ausdruck an. Jemand passt auf mich auf und beschützt mich, dachte sie. Sogar hier im Jahr 1Q84 bin ich nicht ganz allein. Wahrscheinlich nicht.
     
    Aomame nahm den Becher mit dem erkalteten schwarzen Tee und ging ans Fenster. Sie trat auf den Balkon, ließ sich so auf dem Gartenstuhl nieder, dass sie von außen nicht zu sehen war, und beobachtete durch die Zwischenräume in den Sichtblenden den Spielplatz. Sie versuchte, an Tengo zu denken, doch aus irgendeinem Grund wollte es ihr nicht recht gelingen. Stattdessen kam ihr Ayumi Nakanos Gesicht in den Sinn. Ayumi lächelte strahlend. Ein natürliches, argloses Lächeln. Sie saßen einander gegenüber und tranken Wein. Beide waren sie ziemlich angeheitert. Der teure Burgunder ging ihnen ins Blut, zirkulierte angenehm durch ihre Körper und tauchte alles um sie herum in ein zartes Weinrot.
    »Weißt du, Aomame«, sagte Ayumi und strich mit dem Finger über ihr Glas. »Ich glaube, auf dieser Welt gibt es keine Vernunft, und an Güte fehlt es auch.«
    »Kann sein. Aber mach dir keine Gedanken. Denn diese Welt erlischt in einem Augenblick«, sagte Aomame. »Und das Königreich kommt.«
    »Ich kann’s kaum erwarten«, sagte Ayumi.
     
    Aomame fragte sich verwundert, warum sie das mit dem Königreich gesagt hatte. Warum hatte sie plötzlich etwas hervorgekramt, an das sie nicht einmal glaubte? Nicht lange danach war Ayumi umgekommen.
    Vielleicht hatte sie damals an ein anderes »Königreich« gedacht als das der Zeugen. Ein persönlicheres Königreich. Und das Wort war ihr so herausgerutscht. Aber an welche Art von Königreich glaubte sie denn? Welches Königreich kam denn für sie, nachdem die Welt untergegangen war?
    Sacht legte sie sich die Hände auf den Bauch und lauschte. Natürlich war nichts zu hören, auch wenn sie noch so eifrig die Ohren spitzte.
    Ayumi Nakano jedenfalls hatte man aus dieser Welt hinauskatapultiert. In einem Hotel in Shibuya hatte ihr jemand kalte, harte Handschellen angelegt und sie erdrosselt. (Soweit Aomame wusste, hatte man den Mörder noch nicht gefasst.) Sie war obduziert, wieder zusammengenäht, ins Krematorium gebracht und verbrannt worden. Ayumi Nakano existierte nicht mehr auf dieser Welt. Ihr Fleisch und Blut waren für immer verloren. Der Mensch Ayumi existierte nur noch auf dem Papier und in der Erinnerung.
    Aber vielleicht stimmte das gar nicht. Vielleicht lebte sie im Jahre 1984 noch munter weiter. Steckte noch immer Parksündern Strafzettel hinter die Scheibenwischer und murrte, dass man sie keine Pistole tragen ließ. Klärte noch immer Oberschülerinnen über Methoden der Empfängnisverhütung auf: Alle mal herhören, keine Penetration ohne Präser!
    Wie gern hätte Aomame ihre Freundin wiedergesehen. Wie schön das wäre, dachte sie, wenn ich die Treppe an der Stadtautobahn wieder hinaufsteigen, ins Jahr 1984 zurückkehren und sie sehen könnte, dort wo sie noch am Leben ist und ich nicht von den Vorreitern gejagt werde. Wir könnten in das kleine Restaurant in Nogizaka gehen und mit Burgunder anstoßen. Oder –
    DIE TREPPE AN DER STADTAUTOBAHN WIEDER HINAUFSTEIGEN?
    Aomame wiederholte den Gedanken, als würde sie eine Kassette zurückspulen. Wieso war sie bisher nicht darauf gekommen? Wenn sie die Treppe hinaufstieg, würde sie vielleicht den Eingang entdecken. Die Treppe, deren Zugang eigentlich gegenüber der Esso-Tafel sein müsste, war verschwunden. Aber möglicherweise funktionierte es in der umgekehrten Richtung. Nicht die Treppe hinunter-, sondern hinaufsteigen musste sie, durch diesen Abstellplatz unter der Autobahn hindurch und zur Stadtautobahn 3 hinaufklettern. Den umgekehrten Weg musste sie nehmen!
    Aomame wäre am liebsten sofort losgerannt, um nach Sangenjaya zu fahren und es auszuprobieren. Vielleicht würde es klappen, vielleicht auch nicht. Aber ein Versuch würde sich lohnen. Sie würde im selben Kostüm mit denselben hochhackigen Schuhen die Treppe mit den Spinnennetzen hinaufgehen.
    Aber sie unterdrückte den Impuls.
    Nein, dachte sie, das kann ich nicht tun. Ich bin doch in das Jahr 1Q84 gekommen, um Tengo zu treffen. Und jetzt bekomme ich vielleicht sogar ein Kind von ihm. Was auch geschieht, ich muss Tengo auf dieser neuen Welt wiedersehen. Muss mit ihm sprechen. Vorher kann ich hier nicht weg. Auf gar keinen Fall.
     
    Am

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