1Q84: Buch 3
Hervorbrechen seines Erbes noch erleben. Vielleicht auch nicht. Ihm war beides recht. Allein der Gedanke daran verschaffte ihm eine gewaltige Befriedigung, die jedoch nichts mit Rachsucht zu tun hatte. Es war die Art von Genugtuung, die die Erkenntnis mit sich gebracht hatte, selbst unabdingbar in das Werden und Vergehen der Welt eingebunden zu sein.
Ushikawa setzte sich auf sein Sofa und streckte die kurzen Beine aus, um sie auf den Tisch zu legen. Während er sein Bier trank, hatte er plötzlich eine Idee. Wahrscheinlich würde es nicht klappen, aber der Versuch lohnte sich. Ushikawa wunderte sich, dass ihm etwas so Naheliegendes nicht schon viel früher eingefallen war. Manchmal sah man einfach den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Am nächsten Morgen fuhr Ushikawa noch einmal nach Koenji und betrat das nächstbeste Maklerbüro, um sich zu erkundigen, ob in Tengos Haus eine Wohnung frei sei. Man sei für dieses Gebäude nicht zuständig, erklärte man ihm. Ein Makler am Bahnhof verwalte das Objekt.
»Ich glaube allerdings nicht, dass da etwas frei ist. Da zieht nie einer aus, weil die Miete so günstig ist und die Lage auch.«
»Danke, ich werde trotzdem nachfragen«, sagte Ushikawa.
In dem Maklerbüro am Bahnhof traf er einen jungen Mann von etwa Mitte zwanzig an. Sein dichtes, rabenschwarzes Haar war vor lauter Gel steif wie ein Vogelnest, und er trug ein schneeweißes Hemd und eine nagelneue Krawatte. Wahrscheinlich hatte er die Stelle noch nicht lange. Auf seinen Wangen waren noch Spuren von Akne zu sehen. Als Ushikawa eintrat, zuckte er ein wenig zusammen, fasste sich aber sofort und setzte ein professionelles Lächeln auf.
»Sie haben Glück, mein Herr«, sagte der junge Mann. »Das Ehepaar, das im Erdgeschoss gewohnt hat, ist ganz plötzlich aus familiären Gründen ausgezogen, und die Wohnung ist seit einer Woche frei. Die Endreinigung wurde erst gestern vorgenommen, daher haben wir noch nicht annonciert. Im Erdgeschoss ist es vielleicht etwas laut wegen der Straße, und mit viel Sonne können Sie auch nicht rechnen, aber die Lage ist wirklich günstig. Allerdings plant der Hausbesitzer, in fünf oder sechs Jahren umzubauen. Und es ist vertraglich festgelegt, dass man nach der entsprechenden Ankündigung innerhalb von einem halben Jahr ausziehen muss. Außerdem gibt es keinen eigenen Parkplatz.«
»Kein Problem«, sagte Ushikawa. Er habe ohnehin nicht die Absicht, so lange dort wohnen zu bleiben. Und ein Auto besitze er auch nicht.
»Gut. Wenn Sie mit diesen Bedingungen einverstanden sind, könnten Sie schon morgen einziehen. Sicher möchten Sie die Wohnung vorher besichtigen, nicht wahr?«
Ja, unbedingt, sagte Ushikawa. Der junge Mann nahm einen Schlüssel aus der Schreibtischschublade und reichte ihn ihm.
»Ich habe etwas Wichtiges zu erledigen. Entschuldigen Sie, aber würde es Ihnen etwas ausmachen, allein zu gehen? Die Wohnung ist geräumt. Den Schlüssel könnten Sie mir dann auf dem Rückweg vorbeibringen.«
»Mache ich«, sagte Ushikawa. »Aber was, wenn ich ein Bösewicht wäre und Ihnen den Schlüssel nicht einfach so zurückbringen würde, sondern ihn nachmachen ließe, um später einzubrechen?«
Der junge Mann sah Ushikawa einen Moment überrascht an. »Ah ja, ich verstehe. Würden Sie mir dann bitte zur Sicherheit eine Visitenkarte oder so etwas geben?«
Ushikawa zog die übliche Karte mit dem Schriftzug Stiftung für neue japanische Wissenschaften und Künste aus dem Portemonnaie und reichte sie ihm.
»Herr Ushikawa«, las der junge Mann mit skeptischer Miene vor. Dann änderte er seinen Gesichtsausdruck. »Sie sehen nicht aus wie jemand, der etwas Schlechtes tun würde.«
»Vielen Dank«, sagte Ushikawa, und auf seine Lippen trat ein Lächeln, das ebenso inhaltsleer war wie der Titel auf seiner Visitenkarte.
Es war das erste Mal, dass jemand so etwas zu ihm sagte. Vielleicht meinte der junge Mann, dass Ushikawas Äußeres zu auffällig sei, um ein Verbrechen zu begehen. Er wäre sehr leicht zu beschreiben, und man könnte mühelos ein Fahndungsbild von ihm anfertigen. Wahrscheinlich würde er in weniger als drei Tagen gefasst werden.
Die Wohnung übertraf seine Erwartungen. Da sie unterhalb von Tengos Wohnung im zweiten Stock lag, war es natürlich unmöglich, diese einzusehen. Aber man hatte vom Fenster aus den Eingang im Blick. Ushikawa konnte beobachten, wann Tengo kam und ging, und ein Auge auf etwaige Besucher haben. Mit einer versteckten Kamera und einem Teleobjektiv
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