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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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mehr zu kümmern. Er war wieder dort, wo er einmal angefangen hatte.
    Ich stehe also wieder am Anfang?
    Ushikawa rollte sich fest in den Schlafsack ein wie eine Zikadenlarve und sah an die dunkle Decke. Seine Gelenke schmerzten vom langen Sitzen in unveränderter Haltung. Vor Kälte zittern, zum Abendessen an einem kalten Ampan nagen, den Eingang eines billigen Mietshauses kurz vor dem Abriss beobachten, heimlich irgendwelche belanglosen Leute fotografieren und in einen Putzeimer urinieren – hieß das »wieder am Anfang stehen«? Ihm fiel ein, dass er etwas vergessen hatte. Er kroch aus dem Schlafsack, leerte den Eimer mit dem Urin in die Toilette und drückte den wackeligen Hebel, um zu spülen. Er hatte keine Lust gehabt, aus dem warmen Schlafsack zu steigen, und überlegt, es zu lassen, aber es wäre unangenehm gewesen, im Dunkeln darüber zu stolpern. Anschließend kroch er in den Schlafsack zurück und zitterte wieder eine Weile vor Kälte.
    Ich stehe also wieder am Anfang.
    Wahrscheinlich war es so. Er hatte nichts mehr zu verlieren. Nur sein Leben. Es war alles ganz eindeutig. Im Dunkeln erschien ein Lächeln auf Ushikawas Gesicht, schmal und scharf wie eine Klinge.

Kapitel 14
    Aomame
    Das Kleine
    Die meiste Zeit über befand sie sich in einem Zustand der Verwirrung und Ratlosigkeit. Im Jahr 1Q84 hatten die Regeln von Vernunft und Logik so gut wie keine Gültigkeit, und Aomame konnte sich nicht vorstellen, was aus ihr werden sollte. Sie glaubte jedoch, dass sie zumindest noch einige Monate überleben und das Kind zur Welt bringen würde. Natürlich war das nicht mehr als eine Ahnung, doch sie spürte es beinahe als Gewissheit. Aus irgendeinem Grund steuerte alles darauf zu, dass sie das Kind zur Welt brachte. Das spürte sie.
    Aomame dachte an das, was der Leader zuletzt gesagt hatte: »Du hast eine schwere Prüfung vor dir. Wenn du sie bestanden hast, wirst du erfahren, wie sich alles verhält.«
    Er hat etwas gewusst, dachte sie. Etwas sehr Wichtiges. Und mit diesen vagen Andeutungen hat er es mir zu übermitteln versucht. Die Prüfung, die er meinte, war vielleicht, dass ich an der Schwelle des Todes stehen würde. Ich bin ja damals wirklich mit dem festen Entschluss, mir das Leben zu nehmen, mit der Pistole in der Hand vor diese Esso-Tafel getreten. Aber statt zu sterben, bin ich hierher zurückgekommen. Und habe erfahren, dass ich schwanger bin. Vielleicht war auch das schon vorausbestimmt.
    Der Dezember begann mit mehreren stürmischen Nächten. Das Laub des Keyaki-Baums wurde an die Plastikverkleidung des Balkons geschleudert, hinter der Aomame sich verbarg, wo es ein trockenes, scharrendes Geräusch hervorrief. Mahnend blies der kalte Wind durch die kahlen Äste. Auch die Schreie, die die Krähen einander zuwarfen, wurden lauter und schärfer. Es war Winter.
     
    Ihre Ahnung, dass das Kind, das in ihrem Bauch heranwuchs, von Tengo war, wurde von Tag zu Tag stärker und bald zur Gewissheit. Vernünftige Gründe, die eine dritte Person hätten überzeugen können, gab es zwar nicht. Aber sie selbst konnte es sich eindeutig erklären. Es verstand sich sozusagen von selbst.
    DENN WER AUSSER TENGO KAM ALS VATER IN FRAGE?
    Seit November hatte sie zugenommen. Natürlich verließ sie nie die Wohnung, dafür trainierte sie jeden Tag und hielt eine strenge Diät ein. Doch obwohl sie seit ihrem zwanzigsten Lebensjahr nie mehr als zweiundfünfzig Kilo gewogen hatte, zeigte die Waage eines Tages vierundfünfzig Kilo an, und seitdem war ihr Gewicht nicht mehr heruntergegangen. Sie hatte sogar das Gefühl, ihr Gesicht sei etwas runder geworden. Bestimmt verlangte das Kleine von der Mutter, dass sie dicker wurde.
    An den Abenden beobachtete Aomame mit dem Kleinen weiter den Spielplatz. Hielt Ausschau nach der hünenhaften Silhouette des jungen Mannes auf der Rutschbahn. Streichelte sanft ihren Unterleib unter der Decke, während sie die beiden Monde am frühwinterlichen Himmel betrachtete. Manchmal kamen ihr die Tränen, ohne dass sie gewusst hätte warum. Unversehens rannen sie ihr über das Gesicht und fielen auf die Decke, die sie über ihren Schoß gelegt hatte. Vielleicht weinte sie aus Einsamkeit oder Verunsicherung. Vielleicht machte ihre Schwangerschaft sie auch übermäßig empfindsam. Oder es war nur der kalte Wind, der ihr die Tränen in die Augen trieb. Was auch immer der Grund war, Aomame ließ ihnen freien Lauf, ohne sie abzuwischen.
    Wenn sie genug geweint hatte, versiegten die Tränen, und sie

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