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1Q84: Buch 3

1Q84: Buch 3

Titel: 1Q84: Buch 3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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zurück und setzte sich wieder hinter die Kamera. Während er den Eingang im Auge behielt, trank er etwas Mineralwasser, aß eine Dose Pfirsiche und rauchte mehrere Zigaretten. Der Strom floss, aber das Wasser nicht. Nur ein Gurgeln kam aus dem Hahn. Ushikawa überlegte, den Makler zu kontaktieren, aber da er nicht zu oft ein und aus gehen wollte, beschloss er, noch ein wenig abzuwarten. Damit fiel auch die Toilette aus, und so urinierte er in einen kleinen alten Eimer, den die Putzleute offenbar vergessen hatten. Zu Beginn des Winters ging die Sonne rasch unter, aber obwohl es ganz dunkel in der Wohnung wurde, schaltete er kein Licht ein. Die Dunkelheit war Ushikawa sogar willkommen. Er fuhr fort, die Leute zu beobachten, die im gelben Schein der Flurbeleuchtung das Haus betraten.
    Als der Abend fortschritt, wurde das Kommen und Gehen etwas reger, aber die Anzahl der Leute war nicht groß. Schließlich war es nur ein kleines Haus. Tengo war nicht aufgetaucht und auch keine Frau, die aussah wie Aomame. Es war einer der Tage, an denen Tengo an der Yobiko unterrichtete. Nach der Arbeit kam er normalerweise direkt nach Hause. Statt auswärts zu essen, kochte er sich etwas und las, während er die Mahlzeit einnahm. Das wusste Ushikawa. Aber an diesem Tag kam Tengo überhaupt nicht nach Hause. Vielleicht hatte er sich nach dem Unterricht doch noch mit jemandem getroffen.
    In dem Haus wohnten Menschen aus allen Bereichen: ledige junge Angestellte, Studenten, ein Ehepaar mit einem kleinen Kind, ein alleinstehender alter Mann. Sie waren Ushikawas Teleobjektiv wehrlos ausgeliefert. Auch wenn sie sich in Alter und Lebensumständen mehr oder weniger unterschieden, wirkten sie alle alltagsmüde und resigniert. Nachdem ihre Hoffnungen geschwunden, ihre Ambitionen vergessen und ihre Gefühle verbraucht waren und sie die darauffolgende Leere akzeptiert hatten, blieb nur noch stumpfe Benommenheit. Ihre Gesichter waren düster und ihre Schritte schwer wie bei jemandem, der vor zwei Stunden einen Zahn gezogen bekommen hat.
    Aber vielleicht lag Ushikawa auch völlig falsch. Vielleicht freuten sich einige von ihnen in Wirklichkeit ihres Lebens und hatten sich in ihrer Wohnung ihr privates Paradies geschaffen. Oder sie täuschten, um Steuern zu hinterziehen, ein karges Leben vor. Ausgeschlossen war das natürlich nicht. Aber durch die Linse seiner Kamera wirkten sie wie gestrandete Großstadtmenschen, die ständig auf der Stelle traten und sich an dieses billige Mietshaus klammerten, das kurz vor dem Abriss stand.
    Am Ende war weder Tengo aufgetaucht, noch jemand, der so aussah, als habe er etwas mit ihm zu tun. Gegen halb elf gab Ushikawa auf. Heute war der erste Tag, und er war noch nicht vollends eingerichtet. Er hatte noch viel Zeit vor sich. Für heute wollte er es gut sein lassen. Er streckte sich langsam und ausgiebig und lockerte seine erstarrten Gliedmaßen. Er aß ein Ampan , ein mit süßem Bohnenmus gefülltes Brötchen, und trank einen Becher Kaffee aus seiner Thermoskanne. Diesmal kam Wasser heraus, als er den Hahn am Waschbecken aufdrehte. Er wusch sich das Gesicht mit Seife, putzte sich die Zähne und urinierte lange. An die Wand gelehnt, rauchte er eine Zigarette. Er hätte gern einen Schluck Whiskey getrunken, doch er hatte beschlossen, Alkohol zu meiden, solange er hier war.
    Nur mit seiner Unterwäsche bekleidet, schlüpfte er in den Schlafsack. Eine Weile zitterte er vor Kälte. In der leeren Wohnung war es nachts kälter, als er vermutet hatte. Wahrscheinlich würde er einen kleinen Elektroheizer brauchen.
    Als er so allein in seinem Schlafsack vor sich hin zitterte, dachte er an die Zeit, die er mit seiner Familie verbracht hatte. Nicht, dass er besondere Sehnsucht danach verspürt hätte. Sie erschien ihm nur als beispielhafter Gegensatz zu der Situation, in der er sich jetzt befand. Natürlich war Ushikawa auch im Kreise seiner Familie einsam gewesen. Er hatte nie jemandem ganz vertraut und stets damit gerechnet, dass sein »normales« Leben nicht von Dauer sein würde. Im Grunde seines Herzens hatte er gewusst, dass es irgendwann in die Brüche gehen musste. Das geschäftige Leben eines gutbezahlten Anwalts mit einem Haus in Chuorinkan, einer Frau von passablem Äußeren, zwei niedlichen Töchtern, die zur Grundschule gingen, und einem Hund mit Stammbaum. Deshalb war er beinahe erleichtert gewesen, als dieses Leben nach und nach zerbrach und er allein zurückblieb. Wenigstens brauchte er sich jetzt um niemanden

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