1WTC
doch nicht im Ernst erzählen, dass du den ganzen Schrott nur für deine Studenten sammelst. Dein Überwachungssystem ist ja auch nicht für die Studenten.«
»Hey, nur weil wir vögeln, musst du noch lange nicht alles wissen.«
Sie zieht ihn wieder zu sich auf die Matratze.
Zwei Stunden später, Mittagessen um die Ecke.
»Ich finde schon, dass mich das was angeht.«
Syana schiebt den Teller mit ihrer Pizza beiseite.
»Also gut. Wenn du es unbedingt wissen willst: Ich hab Informatik studiert, war in allen möglichen Datenwelten unterwegs. In manchen hatte ich nichts zu suchen. Wenn man erwischt wird, bekommt man Ärger. Ich war gut, sehr gut, trotzdem haben sie mich gekriegt. Dann haben sie mich vor die Wahl gestellt: entweder mitmachen – oder zurück nach Indien. Studium zu Ende, keine Berufschancen, Scheiße. Also habe ich für die gearbeitet, Löcher in der Software gesucht.«
»Du bist eine Datenspionin?«
»Quatsch. Das war nur, wie soll ich sagen, ein Nebenjob. Außerdem konnte ich damit eben meinen guten Ruf wiederherstellen. Nach dem Studium hab ich sofort aufgehört. Hatte eh keine Lust mehr, die Fehler von anderen zu suchen.«
»Und was für einen Job hast du dann gemacht?«
»Ich habe Spiele entwickelt, das weißt du doch.«
»Ja, aber was hat das mit deiner Tätigkeit als, als … na, wie nennst du das?«
»Jetzt komm mal runter!« Syana lacht. »So besonders ist das alles auch nicht, das machen viele.«
»Für mich ist das schon was Besonderes. Ich hatte eben noch nie mit einer Hacker-Agentin zu tun. Aber jetzt komm endlich zur Sache.«
»Ich habe Kriegsspiele fürs amerikanische Militär entwickelt.«
»Kriegsspiele? Du hast doch gesagt, dass du in San Diego an der Uni gearbeitet hast?«
»Stimmt ja auch. Unser Institut wurde vom Verteidigungsministerium finanziert. Wir haben Spiele entwickelt, mit denen Soldaten trainieren. Einen Ego-Shooter, in dem man erst für sich alleine und dann im Netzwerk mit anderen Soldaten spielt. Mit solchen Spielen kann man ganz gut testen, ob jemand geeignet ist, beim Militär ein hohes Tier zu werden.«
»America’s Army«. Kostenloses Online-Computerspiel. Einfach auf www.americasarmy.com herunterladen. Kein Trainingsinstrument, sondern Werbe- und Recruitung-Maßnahme. Basiert auf der Unreal-Engine. Genre: Tactical First Person Shooter. Im Jahr 2000 im Auftrag der US-Army entwickelt, 2002 erstmals veröffentlicht. Eines der zehn meistgespielten Online-Games weltweit. Mehrere Updates, in der aktuellen Version »America’s Army 3« stehen die Special Forces der Army im Mittelpunkt.
Das Spiel ist in zwei Ebenen unterteilt. Es beginnt mit einem sogenannten Tutorial, hier lernt der Spieler die Regeln kennen und löst ihm gestellte Aufgaben. Neben dieser Grundausbildung kann man weitere Trainingseinheiten absolvieren, um sich zum Beispiel als Scharfschütze oder Sanitäter ausbilden zu lassen.
Erst nach Abschluss des Tutorials steigt der Spieler in den Multiplayer-Modus ein. Er spielt im Team mit originalgetreu nachgebildeten Waffen der US-Army gegen gegnerische Kräfte, Terroristen und Aufständische.
Die Missionen sind, so die Eigenwerbung, »the most authentic military experience«. Zwischendurch kann man sich auf der Website Videos ansehen – früher von echten Kampfeinsätzen, heute immerhin noch über »real heroes«.
Seit 2007 gibt es mit »Special Operations« auch eine Version fürs Handy.
Angeblich soll die Army besonders gute Spieler von America’s Army gezielt angeworben haben.
Syana ist von den Möglichkeiten, die sie am ICT hatte, noch immer begeistert. Sie redet und redet, Mikael ist sprachlos.
»Wir haben uns für die Missionen keine neuen Aufgaben ausgedacht, sondern die Situationen genommen, auf die sich die echten Kampfeinheiten im echten Einsatz gerade vorbereitet haben. Und dann haben wir geschaut, welche Strategien die Spieler entwickeln. Manchmal haben weltweit über tausend Teams gleichzeitig gespielt.
»Und was habt ihr damit gemacht?«
»Die interessantesten Strategien hat die Kommandozentrale bekommen, als taktische Anregung.«
»Ihr habt also das Open-Source-Prinzip auf das Militär und seine Gefechtstaktik angewandt? Und die Spieler wussten wahrscheinlich nicht mal, dass sie dabei den Ernstfall testen?«
»Genau.« Syana schaut an Mikael vorbei und überlegt, ob sie noch mehr erzählen soll. »Und dann sind wir einen Schritt weiter gegangen. Angefangen hat es damit, dass wir Soldaten trainiert haben, bevor sie in
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