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1WTC

1WTC

Titel: 1WTC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich von Borries
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Nicht ganz.«
    Tom wird nervös. »Nun, Sir, Sie wollten mir doch von Polen erzählen?«
    »Ja.« Sunner macht eine lange Pause. Er lässt Tom noch ein wenig zappeln. »Polen. Ja, du hast recht gute Arbeit geleistet. Aber es ist noch nicht das, was ich mir erhofft habe.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Es ist doch noch nicht das perfekte Kunstwerk.«
    Mit betont ruhiger Stimme fragt Tom: »Es hat also nicht funktioniert?«
    »Doch, zunächst schon. Alles lief nach Plan. Die Folter, die Medikamente, das Aufwachen. Ich hatte ihm einen Gesprächspartner zur Seite gestellt, einen Spezialisten von uns. Der Gefangene war zunächst orientierungslos, hat angefangen, seinen Körper abzutasten, seine Wunden zu untersuchen. Schließlich hat er angefangen zu beten. Dann hat er sich mit unserem Mann unterhalten. So weit alles wie geplant. Die beiden haben sich also im Paradies erzählt, was sie so vorhatten im Leben. Der Gefangene hat von Anschlägen in Europa berichtet. Sehr interessant. Sie haben eine neue Strategie. Nicht länger Menschen, wie in der Londoner U-Bahn oder im Bahnhof von Madrid, sondern nur noch Infrastrukturen. Gasleitungen, Internetknotenpunkte und solche Dinge. Die wollen unseren Alltag total durcheinanderbringen. Um schmutzige Bomben ging es auch, sie planen, radioaktiven Müll aus Endlagern zu stehlen und in Städten zu verteilen. Die hoffen, dass dann das System zusammenbricht. Der Gefangene hat also einiges erzählt, doch dann ist etwas schiefgegangen, wahrscheinlich lag es an unserem Mann. Aber das musst du eigentlich gar nicht wissen …«
    Sunner steht auf, stellt sich vor die Wand, an die Tom seine Entwurfsskizzen gehängt hat.
    »Und, was ist mit dem Mann dann passiert?«
    »Unser Mann? Der hat überlebt, wir konnten ihn rechtzeitig in Sicherheit bringen. Oder meinst du den Gefangenen? Na, das Übliche, was sonst? Egal, du siehst, wie wichtig dieses Projekt ist. Wir haben sehr hilfreiche Informationen erhalten.«
    Sunner studiert weiterhin die Skizzen, dreht sich um und setzt sich dann wieder vor Tom. »Wir müssen versuchen, die Terroristen so lange wie möglich am Reden zu halten. Dazu müssen sie sich in dem Raum wohl fühlen, dein Entwurf war gut, aber nicht gut genug. Etwas hat ihn verunsichert, irritiert, sonst hätte er nicht so schnell Verdacht geschöpft. Du musst die Architektur verbessern. Also, das Projekt geht weiter, oder besser gesagt: Es fängt jetzt erst richtig an. Wir haben einen neuen Ort, an dem wir weitermachen wollen. Den besten Ort, den es dafür gibt, und du kennst ihn sehr gut.«
    Tom versucht, Sunners Blick auszuweichen.
    »Tom, das nächste künstliche Paradies bauen wir nicht mehr in Polen.«
    »Wo dann? In Guantanamo?«
    »Nein, näher, viel näher.«
    In den USA? »Sir, ich hatte eigentlich gehofft, dass ich hier jetzt einfach meinen normalen Job machen kann. Immerhin arbeite ich am neuen World Trade Center«
    »Tom, hör auf.« Sunners Stimme wird lauter. »Es geht um die Freiheit unseres Vaterlandes. Nicht darum, was du willst oder nicht willst. Du stehst hier in der Pflicht, du bist Soldat. Beginn mit der Arbeit und denk darüber nach, wie du das Paradies verbessern kannst. Vielleicht war dein Entwurf auch einfach zu weiß und zu abstrakt.«
    Sunner steht auf und geht zur Tür. Die Klinke schon in der Hand, dreht er sich noch einmal um.
    »Ach so, eines habe ich vergessen. Wir kommen deinem Wunsch natürlich gerne nach. Hast du nicht eben gesagt, dass du weiter am One World Trade Center arbeiten willst?«
    Tom wundert sich über den ironischen Tonfall in Sunners Stimme.
    »Ja, Sir.«
    Der Blick, den Sunner zurückwirft, ist eisig.
    »Dann mach das.« Sunner spricht leise, mit einer Pause nach jedem Wort, als würde er zu einem kleinen Kind sprechen. »Das neue Verhörzentrum wird im Keller des One World Trade Center gebaut. Also mach dich an die Arbeit. Denn genau deshalb bist du hier.«
    Und damit verschwindet Sunner aus Toms Büro, die Tür leise hinter sich ins Schloss ziehend.
    Tom bleibt wie betäubt in seinem Stuhl sitzen. Ein Verhörzentrum im neuen World Trade Center? Auge um Auge, Zahn um Zahn? Alles, nur das nicht.
    Am liebsten würde er alles hinschmeißen, er stellt sich vor, wie er Sunner anruft und sagt: »Ich kann nicht. Ich steige aus.« Aber dafür ist es zu spät, er hängt viel zu tief drin. Sunner wird ihn unter Druck setzen, außerdem würde er im Notfall einfach einen anderen Architekten suchen. Aber damit kann Tom sich jetzt nicht rausreden,

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