2 Heaven
herauszufinden. Er sah Crispin einen Moment lang abschätzend an, dann schüttelte er den Kopf.
„Crispin - darf ich dich mal was fragen?"
„Ja?"
„Warum lässt du jede Frau derart abblitzen? Du machst damit nichts ungeschehen."
Crispin zuckte zusammen, als hätte Dämon ihn geschlagen.
„Es war meine verdammte Schuld", sagte er tonlos.
Dämon wusste natürlich sofort, was er meinte. „Aber es ist schon drei Jahre her!", rief er aufgebracht.
„Wenn ich nicht so verrückt gewesen wäre, würde sie noch leben, Dämon."
„Mein Gott, Cris - du kannst dich nicht dein ganzes Leben lang dafür bestrafen. Es ist doch wirklich Buße genug, dass du nicht mehr sehen kannst."
„Ich habe sie umgebracht." Crispin schluckte hörbar.
Dämon nahm ihn fest in den Arm. „Nein, Crispy, tu' mir das nicht an. Du weißt, dass ich sofort mitheule, wenn du anfängst zu weinen. - Es tut mir so Leid. Ich möchte dir nicht wehtun." Crispin schluckte noch einmal und holte tief Luft. Dann ließ er seinen Kopf an Dämons feste Schulter sinken. „Nein, du hast Recht, Dämon. Natürlich hast du Recht, aber ich kann einfach nicht. Verstehst du das?"
Zärtlich fuhr Dämon ihm durch das dichte schwarze Haar. „Nein, das kann ich nicht verstehen. Ich ... ich möchte dir doch nur helfen."
„Ich weiß. - Mein Gott, ich bin so froh, dass ich dich habe", sagte Crispin leise.
Dämon drückte ihm einen festen Kuss auf die Stirn. „Ich bin auch froh, dass ich dich habe."
Sie schwiegen eine Zeitlang. Dann sagte Dämon: „Und - wirst du ihr noch eine Chance geben?"
Crispin zögerte einen Moment. „Ja", sagte er schließlich leise. „Und wenn ich es nur für dich tue. Aber - ich werde ihr kein Pferd verkaufen."
Schweigend drückte Dämon ihm die Visitenkarte in die Hand.
Der Himmel hatte sich verändert, von einem schmutzigen Grau zu einem gräulichen Weiß, einem richtigen Winterweiß. Die ersten Schneeflocken tanzten vor ihrer Fensterscheibe. Die, die es nicht bis zum Boden schafften, schmolzen auf der von der Heizungsluft angewärmten Scheibe. Im Vorgarten auf dem Rasen bildete sich bereits ein dünner weißer Film. Charlotte wärmte ihre kalten Hände an einer heißen Tasse Tee. Ihre Gedanken tanzten draußen gemeinsam mit den Schneeflocken, suchten Antworten auf Fragen, die sie noch nicht einmal formuliert hatte.
In ihrem Innern rumorte es, irgendetwas lag wie ein Stein in ihrem Magen. Arthur hatte sie heute morgen angerufen und zum Essen eingeladen. Natürlich hatte sie zugesagt, aber irgendetwas stimmte nicht. Irgendetwas schien nicht richtig, und das beunruhigte Charlotte.
Ihre Begegnung mit den Heaven Brüdern lag nun schon fünf Tage zurück, aber sie wusste, dass es genau diese Begegnung war, die sie zunehmend in Verwirrung stürzte. Sie versuchte etwas Ordnung in ihre Gedanken zu bringen. Warum nur fühlte sie sich so stark zu ihnen hingezogen? Crispin Heaven hatte sich unmöglich benommen, doch Dämon war außerordentlich charmant gewesen. Sie wusste, dass er sie mochte - auch wenn er sich bisher nicht wieder gemeldet hatte.
Charlotte starrte aus dem Fenster. Mittlerweile hatte sich eine dichte Schneedecke auf dem Rasen gebildet. Würde es so weiterschneien, käme sie sicher in ein paar Stunden nicht mehr mit dem Wagen in die Stadt. Diese Vorstellung versetzte sie in eine heitere Stimmung. Denn wenn kein Auto mehr fahren konnte, dann lag ein gemütlicher Tag und vor allem ein gemütlicher Abend mit einem guten Buch vor ihr. Ihre Gedanken wanderten zurück zu den Heaven Brüdern. Und - was Charlotte sich nicht eingestehen wollte, sie sah Crispin, nicht den charmanten Dämon vor ihrem inneren Auge. Es war Crispin, der ungehobelte Kerl, der sie faszinierte, und das machte sie nicht gerade glücklich. Sie versuchte, ihr Interesse als „Berufskrankheit" auszulegen. Schließlich war Crispin ein extrem schwieriger Mensch, der sicherlich große Probleme mit seiner Behinderung hatte. Und es war immerhin ihr Job, die Probleme anderer Menschen aufzudecken und mit ihnen gemeinsam zu lösen. Vielleicht sollte sie noch einmal mit Dämon Heaven sprechen? Vielleicht brauchte Crispin wirklich professionelle Hilfe? Und das wäre außerdem eine gute Gelegenheit, bei Dämon anzurufen. Vielleicht ... Das Läuten des Telefons unterbrach ihre Gedanken. „Ja?"
„Charlotte? Ich bin es, Arthur." Sie seufzte innerlich.
„Es fängt gerade an, zu schneien. Daher dachte ich, wir sollten uns jetzt schon treffen, bevor nachher kein Auto
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