20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
loszubinden und laufen zu lassen!“
„Das wäre freilich nicht nur unklug, sondern geradezu verrückt. Aber es kann noch anderes passieren. Ich denke zwar, daß die Roten, wenn sie einmal bei den Gräbern ihrer Häuptlinge angekommen sind, sich heut nicht mehr von dort entfernen werden; aber es können doch einige von ihnen aus irgendeinem Grund die Gegend durchschwärmen und Euch entdecken.“
„Die schießen wir nieder!“
„Und wenn sie Euch überraschen?“
„Wir lassen uns nicht überraschen. Wir passen auf! Wir werden uns doch wohl eine Stelle aussuchen, wo es unmöglich ist, uns zu beschleichen.“
„Well! Aber wenn so viele kommen, daß sie Euch überlegen sind?“
„So brauchen wir uns dennoch nicht zu fürchten, denn wir tun das, was wir von Euch gelernt haben.“
„Was?“
„Wir drohen ihnen, den Häuptling sofort zu erschießen, wenn sie uns angreifen.“
„Das würde allerdings das Richtige sein. Ich weiß freilich recht gut, daß ich keinen von Euch beiden zu den Comanchen schicken kann; ich muß selbst zu ihnen und will hoffen, daß ich mich unterdes auf Euch verlassen kann.“
„Das könnt Ihr, Sir!“ beteuerte er erleichtert. „Wir werden Euch den Häuptling bei Eurer Rückkehr genauso übergeben, wie ihr ihn bei uns gelassen habt.“
„Ja, das werden wir“, bestätigte Dschafar. „Ich bin kein Feigling und auch nicht das, was man hier einen Dummkopf nennt. Sollten da einige Rote kommen, so stehe ich dafür, daß sie uns ihren Häuptling weder durch List noch durch Gewalt entreißen.“
Ja, er war wohl weder dumm noch feig; zu ihm hatte ich mehr Vertrauen als zu Perkins. Und was hätte ich auch machen wollen? Einer von uns mußte zu den Indianern, und das war keine Kleinigkeit, sondern ein Wagnis, zu dem ein ganzer Mann gehörte. Dazu paßte weder der Perser, dem es vollständig an Kenntnis der Verhältnisse mangelte, noch Perkins, welcher keinen Mut besaß. Ich war also gezwungen, ihnen den Häuptling anzuvertrauen.
Ich kannte die Stelle, an welcher sich die Häuptlingsgräber befanden. Der Makik-Natun hat an seiner Südseite eine Einbuchtung, deren Wände ziemlich steil ansteigen. Die Gräber, vier an der Zahl, lagen nebeneinander an der Westseite der Bucht, in welcher es keine Bäume, sondern nur Büsche gab. Im Hintergrund der Bucht rieselte ein Quell aus dem gelben Gestein; dort hatten sich die Indsmen wahrscheinlich gelagert. Der Platz war in der Nähe der Gräber frei; die einst dortstehenden Sträucher waren infolge der öfters da stattfindenden Totenfeierlichkeiten verschwunden. Dagegen lief das Gebüsch noch außerhalb der Bucht nach rechts und links, also nach Osten und nach Westen am Fuß des Bergs weiter, ein Umstand, welcher, wie man sehen wird, mir großen Vorteil bot. Diese Eintiefung oder Einbuchtung des Makik-Natun also war es, wo das Schicksal der Gefangenen heut entschieden werden sollte. Natürlich hing dabei mein Leben auch nur an einem einzigen Haar, denn selbst wenn der Indianer an jedem andern Ort zum Frieden geneigt wäre, an den Gräbern seiner im Kampf gefallenen Anführer regiert ihn nur der Haß, erfüllt ihn nur das Gefühl der Rache, und darum war dieser Ort eigentlich für unser Vorhaben schlecht gewählt. Freilich gab es keine andere Wahl, denn wir konnten nicht bis später warten, weil vorauszusehen war, daß die Gefangenen morgen hingerichtet würden.
Wir folgten der Fährte der Comanchen so weit, bis wir den ‚gelben Berg‘ genau nördlich vor uns liegen und vielleicht noch eine halbe Stunde zu reiten hatten, um ihn zu erreichen. Da wichen wir von ihr westlich ab, ritten zunächst parallel mit dem Berg und lenkten dann auf ihn zu, hielten aber an, ehe wir ihn erreichten.
„Sollen wir etwa hier schon absteigen?“ fragte Perkins.
„Ja“, antwortete ich.
„Und hier auf Euch warten?“
„Ja.“
„Aber, Sir, nehmt es mir nicht übel, das ist ja der größte Fehler, den wir machen können!“
„Warum?“
„Wir sind in der Nähe der Feinde, und da so auf offenem Feld kampieren, ist doch wohl eine Unvorsichtigkeit?“
„Es ist im Gegenteile eine Klugheit, welche mir als sehr geboten erscheint. Wenn wir bis hinüber zum Berg reiten, wo es Büsche und Bäume gibt, könnt ihr während meiner Abwesenheit beschlichen und ganz unversehens überfallen werden. Es genügt da ein einziger Roter, um euch beide aus dem Hinterhalt zu erschießen und den Häuptling zu befreien.“
„Hm, das ist vielleicht richtig!“
„Nicht nur
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