20 Science Fiction Stories
Metallgegenstand in den Mund und blies kräftig darauf; sie hob einen Arm hoch und schwenkte den anderen in der Luft. Sie beobachtete eine Autoschlange, die zum Stehen kam, und eine weitere, die in entgegengesetzter Richtung an ihr vorbeifuhr.
»Na, los!« schrie sie. »Schneller! Hop, hop!«
Endlich empfing sie den vagen physischen Eindruck müder, steifer Beine, die sie in einem wilden Spurt Marmorstufen hinauftrugen. Der schwindelerregende Bogengang der Kirche tauchte auf. Die Gedankenströme verblaßten; die gefangenen Bilder begannen zurückzuweichen – sie wurden fortgeschwemmt wie Sandburgen auf einem wellenüberspülten Strand.
Erschöpft und verwirrt umklammerte sie ein Taufbecken, um nicht hinzufallen.
Dann ging sie zitternd den Gang entlang, kniete in einem Betstuhl nieder und ließ die Stirn auf das kühle Holz sinken. Die Müdigkeit war so überwältigend, daß sie nichts mehr fühlte.
(… Bitte, Gott, vergib … mußte ihn töten … erzählte ihm von dem Baby und …)
Lois richtete sich in einem Ruck auf. Die junge Blondine in dem schwarzen Kleid, das dem ihren so ähnlich war, befand sich drei Reihen vor ihr. Lois bemühte sich, die Gedanken der anderen auszuschalten, und nach harter Anstrengung gelang ihr das auch. Dann ging sie leise an den Stühlen entlang bis an den Seitengang. Dort kauerte sie sich nieder.
Eine Stunde verging. Sie versuchte die noch verbleibenden Stunden zu zählen, bis die Straßen leer genug waren, um zurück zum Bahnhof zu gehen. Sie schluchzte. Sie wollte nicht zurück nach Hause! Sie wollte nicht allein leben – eine Ausgestoßene, bis zu ihrem einsamen Tod! Mit plötzlicher Gelassenheit war sie sich darüber klar, daß sie sich niemals mit einer solchen Isolation zufriedengeben würde. Sie würde nicht den gleichen Fehler wie ihr Vater begehen. Und sie würde auch nicht heiraten und ein Kind haben, nur um erfahren zu müssen, daß es wie sie war und mit ihr leiden mußte.
Und jetzt dachte sie an Mort – seine Zärtlichkeit und sein Verständnis, die Liebe, die er nicht verbergen konnte. Vielleicht sollte sie ihn vorher noch einmal aufsuchen und ihm danken – ihm wenigstens sagen, warum sie davongelaufen war und ihn warten ließ … Aber nein. So war es besser. Sie würden ihm auf jeden Fall sagen, daß sie von ihrer Verrücktheit überzeugt waren und daß sie geflohen war. Und dann weiß er, daß sie das, was sie nun vorhatte, durchführen muß. Es wird ihm weh tun. Aber er wird sie verstehen.
Es mußte um die Mittagszeit sein.
Denn ein paar Leute betraten die Kirche – zur Mittagsandacht, nahm sie an.
(…blonde Haare … dunkles Kleid … muß sie sein …)
Ein Mann ging schnell den Mittelgang entlang und blieb bei der Reihe stehen, in der das betende blonde Mädchen kniete.
Es war Mort.
Ihre Lippen bewegten sich in schnellem Flüstern, als er in die Reihe trat. Das Mädchen blickte ihn erschrocken an.
Lois war zu weit entfernt, um das Flüstern zu hören, aber das Wort erreichte sie auf telepathischem Weg. (Lois!)
Dann bemerkte er, daß sie es nicht war, und mit enttäuschter Miene wandte er sich ab. Aber als er sich nach rechts umdrehte, erkannte er sie, obgleich sie sich noch tiefer in den Schatten gekauert hatte.
(…wußte, daß ich sie hier finden würde …) Sein Gedankenstrom wurde stärker, während er sich ihr näherte, (… muß halb von Sinnen sein …)
Er zwängte sich an einer dicken Frau vorbei, die ihn wütend ansah. Dann kniete er neben Lois und ergriff verzweifelt ihren Arm.
»Sie suchen dich!« keuchte er. (…fanden den Block im Papierkorb …) Seine Gedanken jagten den Worten voraus.
»Oh, Mort!« rief sie entzückt. »Dann glauben sie mir also? Sie werden mir helfen?«
Ein älterer Mann, ein paar Reihen vor ihnen, wandte den Kopf.
»Werden sie mir helfen?« Lois senkte die Stimme zu einem Flüstern.
(…helfen? – ha! – sie werden …) In seinen Augen lag Verzweiflung. »Lois, mein Liebling. Sie jagen überall nach dir! Sie haben gemerkt, was du wirklich darstellst!« Ein protestierendes »Sch – scht« erklang hinter ihnen.
Lois erhaschte ein Bild von einem großen hohen Raum mit Männern, die um runde Tische saßen, vor jedem stand ein Mikrophon.
»Mort!« flüsterte sie erschreckt. »Was ist das?«
»Kannst du dir denn nicht vorstellen«, erklärte er mit mühsam unterdrückter Erregung, »was für eine diplomatische Waffe du für die Delegation bei den Vereinten Nationen sein würdest? Wir würden sofort
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