2001 Himmelsfeuer
überall herum. Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich im Büro der Schwester. Meine ersten Worte waren: ›Wo sind die Schmetterlinge hin?‹ Und die Schwester sagte: ›Welche Schmetterlinge?‹ Deswegen bin ich auch nie adoptiert worden. Wegen der Kopfschmerzen. Niemand will ein krankes Kind adoptieren.«
Ericas Blick wanderte über die nahen Berggipfel, die die Sterne überlagerten. Ihr suchender Blick vermittelte den Eindruck, als erwartete sie, hoch dort oben jemanden stehen zu sehen. »Ich habe eine Zeit lang in einem Zustand gelebt, da hatte ich immer alles fertig gepackt, falls meine Eltern mich holen kämen. Wann immer ich zu anderen Pflegeeltern gebracht wurde, habe ich die Fürsorgerin angerufen und sie gebeten, meiner Mutter meine neue Adresse mitzuteilen. Manchmal habe ich sogar bei der Fürsorge nachgefragt, ob meine Mutter sich gemeldet hätte. Hat sie aber nicht.« Ericas Ton wurde bitter. »Sie wollte mich einfach nicht mehr.«
Jared fasste sie am Ellenbogen. »Das können Sie doch nicht wissen.«
»Und der Biker, mit dem sie auf und davon ist?«, konterte sie.
»Das haben Sie nur von jemandem, der es angeblich vom Hörensagen wusste. Vielleicht wollte sie nur übers Wochenende wegfahren. Vielleicht wollte sie Sie ja holen, aber irgendwas ist dazwischengekommen. Erica, möglichweise werden Sie nie erfahren, was wirklich passiert ist.«
Mit einem verdrossenen Kopfschütteln kniete sie am Fluss nieder und tauchte die Hand ins Wasser. Jared versuchte sich zu erinnern, was er über Pumas in dieser Gegend gehört hatte, und sondierte mit raschem Blick die Umgebung. Selbst auf diese kurze Entfernung war ihr Auto nicht mehr durch die Bäume zu erkennen, genau wie die Lichter von Palm Springs. Er wandte sich Erica wieder zu, die gerade einen Schluck Gebirgswasser nahm. Als sie sich die Hände an ihrem Rock abrieb, fragte er: »Da ist noch mehr, nicht wahr? Etwas, das du mir verheimlichst?« Er war unvermittelt zu einem vertraulichen »Du« übergegangen.
Sie wich seinem Blick aus und schüttelte den Kopf.
»Erica, als du da unten in der Höhle eingeschlossen warst, bin ich vor Angst bald wahnsinnig geworden. Ich wusste nicht, ob du tot bist oder lebendig.« Jared schwieg einen Moment, dann sprach er leise weiter. »Zum ersten Mal seit Netsuyas Tod empfinde ich wieder etwas für einen anderen Menschen. Ich glaube, es hat angefangen, als ich dich mit dem Tomahawk vor Charlie Braddock stehen sah. Du hast in deinem Cocktailkleid und hohen Hacken dagestanden und drohend eine Axt diesem Riesenkerl unter die Nase gehalten. Und dann bei Sams Geheimtreffen in Century City, die Art, wie du ihm und den anderen die Stirn geboten hast, wie du für die Rechte einer Frau gekämpft hast, die vor zweitausend Jahren gestorben ist. Du bist eine Kämpferin, Erica. Und als ich dich so sah, wurde ich daran erinnert, dass ich bis zu Netsuyas Tod auch ein Kämpfer war.«
Erica ging ein paar Schritte, bis sie im Mondlicht Felsbilder auf einem der Felsblöcke entdeckte: Strichzeichnungen menschlicher Gestalten mit Pfeil und Bogen, die große Tiere jagten. Sie fuhr mit den Fingerspitzen darauf entlang und flüsterte: »Die sind so alt.« Tränen stiegen ihr in die Augen. »Ich habe immer mit alten oder toten Dingen zu tun. Ich will
leben,
Jared!«
Er fasste sie an den Schultern. »Dann lass mich zu dir. Sag mir, was dich noch alles bedrückt.«
Erica begann zu schluchzen. »Jared, hat meine Mutter mich wegen meiner Krankheit verlassen?«
Er blickte sie ungläubig an. »Großer Gott, glaubst du das wirklich?«
»Wegen dieser Kopfschmerzen war ich ein schwieriges Kind! Deswegen hat mich niemand adoptiert! Eine Familie hat es mit mir probiert – die Gordons. Die waren so lieb und haben alles versucht, aber Mrs. Gordon konnte meine Anfälle nicht mehr ertragen, die praktisch jederzeit und überall auftreten konnten. Also haben sie mich wieder der Jugendfürsorge übergeben.«
»Erica, du darfst dir nicht die Schuld dafür geben, dass deine Mutter dich verlassen hat. Du warst damals ein Baby. Mein Gott, hast du deshalb nie geheiratet, bist nie eine Verbindung eingegangen? Wegen der Kopfschmerzen und der Ohnmachtsanfälle? In den ganzen Wochen, seit wir an Topanga arbeiten, habe ich nichts davon bemerkt.«
»Ich bin sehr vorsichtig«, sagte Erica, und die Tränen liefen ihr über die Wangen. »Ich kenne die Anzeichen. Wenn ich ein bestimmtes Ziehen im Nacken verspüre oder wenn es in meinen Ohren anfängt zu summen,
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