2001 - Odysee eines Mutanten
Holographie, die seiner Freundin wie aus dem Gesicht geschnitten war. Und sie sagte das auf genau die gleiche Weise, wie es auch Rosa getan hätte. „Wir werden sicher gute Freunde sein. Du kannst mir alles anvertrauen und brauchst vor mir keine Geheimnisse zu haben. Denn deine persönlichen Daten sind vor fremdem Zugriff absolut geschützt. Nicht einmal die Trainer bekommen Einblick in sie."
„Tu mir bitte einen Gefallen, Rosa!" sagte Trim vorwurfsvoll. „Wenn wir Freunde werden wollen, dann erinnere mich nicht ständig daran, daß du nicht echt bist."
„Ganz wie du es wünschst, Trim", sagte die Cyber-Matrix von Rosiette Nargiso.
Trim spürte jetzt erst, da er sein Werk vollendet hatte, wie sehr ihn das angestrengt hatte. Er fühlte sich auf einmal so müde, daß er im Sitzen hätte einschlafen können. Er desaktivierte das Terminal, suchte das kleine Zimmer mit dem verführerischen Bett auf und legte sich darauf, ohne sich zu entkleiden. Schon mit dem nächsten Atemzug war er eingeschlafen.
Aber sein Schlaf war unruhig und von seltsamen Träumen geprägt.
Trim träumte, daß er von seinen Mitschülern in seinem Bungalow besucht wurde. Sie hatten weder Namen noch Gesichter, noch Alter oder Geschlecht. Sie waren geisterhafte Erscheinungen, bloß konturlose Schemen. Und sie fragten ihn mit flüsternden, wesenlosen Stimmen: „Wer bist du Trim Marath? Was kannst du, Trim Marath? Zeig es uns, Trim Marath!"
Er fühlte sich von den ihn bedrängenden gesichtslosen Schatten in die Enge getrieben. Er brachte es einfach nicht über die Lippen, ihnen zu sagen, daß er überhaupt kein vorzeigbares Talent besitze. Die Kehle war ihm wie zugeschnürt, etwas lastete ihm schwer auf der Brust, so daß er kaum atmen konnte. Er dachte, daß die Geister ihn nicht eher in Ruhe lassen würden, bis er ihnen irgendein parapsychisches Kunststück vorführte. Und auf einmal fühlte er seinen Körper schwerelos werden und über dem Bett schweben. Er stieg langsam höher und höher, bis er die Decke erreichte. Dann verließen ihn die Kräfte, und er plumpste wie ein Stein aufs Bett.
Er schlug nicht hart auf, aber die Illusion des tiefen Falles weckte ihn, und er setzte sich schweißgebadet auf. Er machte danach kein Auge mehr zu und fragte sich den Rest der Nacht, ob das nur ein leerer Alptraum gewesen war oder ob er den Hinweis auf ein verstecktes Talent enthielt. Beherrschte er womöglich die Telekinese und konnte diese Fähigkeit nur noch nicht hervorkehren?
*
Das Hologramm von Rosa bildete sich über seinem Bett, und sie sagte mit ihrer vertrauten Stimme: „Ich hoffe, du hattest eine angenehme Nacht, Trim. Aber nun ist es Zeit zum Aufstehen. Wenn du soweit bist, schicke ich dir ein Piktogramm, das dir den Weg ins Schulungszentrum weisen wird."
Trim suchte die Hygienekabine auf und duschte ausgiebig, wie um sich von dem alptraumhaften Geschehen der letzten Nacht zu befreien.
Als er aus der Kabine kam, waren seine schmutzigen Kleider verschwunden, und an ihrer Stelle fand er eine einteilige Kombination, deren Farbe er als Blau einschätzte. Rosas Bildnis erschien.
„Ich habe mir erlaubt, dir blaue Schulkleidung für den Unterricht zu überstellen", sagte sie. „Die solltest du bei schulischen Unternehmungen tragen. Deine Freizeitkleider bekommst du nach der Reinigung zurück."
Das Bild von Rosiette Nargiso erlosch. Nachdem sich Trim angekleidet hatte, trat er vor die Haustür.
Ein - hellgrün? - blinkender Pfeil, der links von ihm über dem Kunststoffweg schwebte, stach ihm ins Auge. Er ging auf ihn zu, und der Pfeil wich vor ihm zurück. Blieb Trim stehen, bewegte sich auch der Pfeil nicht. Also schritt er voran und ließ sich von dem Wegweiser führen.
Dabei hatte er in der Ferne immer die Solare Residenz vor Augen, die in der klaren Morgenluft glitzerte wie ein exotisches Juwel. Ob der Resident an diesem Tag wohl anwesend war oder irgendwo in der Milchstraße unterwegs? Bei Territorialverhandlungen mit den Arkoniden? In der Eastside, um mit dem Forum Raglund ein Bündnis zu schließen? Trim verscheuchte diese Gedanken. Er durfte sich jetzt nicht seinen Tagträumen hingeben, sondern mußte sich auf seine bevorstehende Feuertaufe konzentrieren.
Er kam durch einen gepflegten Park, der dennoch den Eindruck einer natürlichen gewachsenen Landschaft erweckte. Einmal sah er eine Gruppe von Jugendlichen, die alle einteilige Schulkleidung trugen und in dieselbe Richtung wie er gingen. Als sie in seine Richtung
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