2001 - Odysee eines Mutanten
diesem Tag mußte er in Freizeitkleidung zum Unterricht gehen, aber das hatte keinerlei Konsequenzen für ihn; er brauchte Orfan nicht einmal eine Begründung zu nennen.
Trim redete mit niemandem über die nächtlichen Kapriolen seines Unterbewußtseins. Aber er kam immer mehr zu der Ansicht, daß das Talent der Telekinese in ihm erwacht war und irgendwann zum Durchbruch gelangen würde. Er hoffte, daß dies bald geschehen möge und er dann nicht länger dem Spott der anderen ausgesetzt war. Sie ließen keine Gelegenheit aus, ihn wegen mangelnder Para-Fähigkeiten zu piesacken, wenn sie auch nie richtig grausam wurden.
Orfan Riltau entging das nicht, und er versuchte Trim das Verhalten der anderen zu erklären.
„Sie meinen es nicht böse mit dir, sie wollen nur herausfinden, wie sie mit dir dran sind", sagte er. „Was du kannst und was du ihnen möglicherweise verheimlichst. Im Grunde sind sie dir sogar sehr ähnlich. Trotz - oder auch wegen - ihrer übernatürlichen Gaben sind sie scheu und verschlossen und sehr weltverloren. Sie leiden darunter, daß die Öffentlichkeit sie nicht anerkennt, ja sie teilweise sogar als Monster sieht. Nur innerhalb der Mauern der Lloyd-Schule akzeptiert man ihre Talente als wertvolle Gabe. Da sind sie bevorzugte Mitglieder der menschlichen Gesellschaft. Aber sie reagieren eben eigen, wenn jemand in ihre Kreise eindringt, der einer der Ihren ist, den sie aber nicht richtig einschätzen können."
Trim hielt es Orfan sehr zugute, daß er zu ihm wie zu einem Mann sprach, obgleich er nicht genau begriff, was er ihm sagen wollte. Aber Trim vermutete, daß er ihm mitteilen wollte, daß die Schuld teilweise auch bei ihm lag, wenn er unter den Mutanten zum Außenseiter wurde.
„Ich werde es schon noch allen zeigen!" verkündete Trim.
„Verheimlichst du uns etwas?" erkundigte sich Orfan daraufhin.
Aber Trim schüttelte nur stumm den Kopf.
Auch Startac Schroeder unterhielt sich mit ihm über dieses Thema. „Du darfst dich nicht unterkriegen lassen, Trim. Du bist wer, und du hast etwas, das kein anderer besitzt: ein ungewöhnliches Psi-Potential.
Ich glaube, daß die anderen deshalb vor dir großen Respekt haben. Ja, ich glaube, sie fürchten dich ein wenig, weil sie dich nicht beurteilen können."
„Aber ich tu' doch keinem was, Star... bis auf das eine Mal...", sagte Trim.
Startac Schroeder winkte ab. „Das, was mit Dary passierte, ist vergeben und vergessen. Ich meine nur, als kleiner Trost für dich, daß du für die anderen einfach ein unbekannter Faktor bist. Das könntest du mit ein wenig Cleverneß sogar zu deiner Stärke machen."
„Ich werde es versuchen, Star", versprach Trim, obwohl er nicht wußte, wie er das hätte anstellen sollen.
Bei einem dieser Vier-Augen-Gespräche kam die Rede auf Linus Roppor.
„Er ist vierundzwanzig Jahre alt, ist ein hervorragender Telekinet, aber er drückt sich kindlicher aus als ich", sagte Trim befremdet. „Was ist los mit ihm?"
„Linus ist ein zufriedenes Kind im Körper eines Mannes", erläuterte Startac. „Er ist in seiner Entwicklung geistig zurückgeblieben, und sein stark ausgeprägtes Psi-Talent steht damit vermutlich in Wechselwirkung. Es gäbe Methoden, seine psychische Behinderung auszumerzen, um aus ihm einen geistig vollwertigen Mann zu machen. Aber vermutlich würde man damit seine Psi-Sinne abtöten. Und ich glaube nicht, daß er dann glücklicher wäre."
Linus Roppor war, wie Trim auch, auf einer unbedeutenden Randwelt aufgewachsen, die offiziell unbekannt war, aber zum Einflußbereich von Plophos gezählt wurde. Als es in seinem Umfeld verstärkt zu parapsychischen Phänomenen kam und man ihn als die Ursache erkannte, gaben seine entsetzten Eltern die Einwilligung, ihn einzusperren und unter einem Anti-Esper-Schirm zu isolieren. Als Moharion Mawrey im Zuge ihrer Nachforschungen die Horrikos-Linie bis zu jener Randwelt verfolgte, fand sie Linus unter menschenunwürdigen Bedingungen in seinem Gefängnis darben. Er hätte nicht mehr lange zu leben gehabt, und der Verdacht lag nahe, daß man ihn absichtlich hatte verkommen lassen, weil die Aufrechterhaltung des Anti-Esper-Schirmes eine teure Angelegenheit war.
„Da ist es mir besser ergangen, wenngleich ich Moharion Mawrey dankbar bin, daß sie mich von Yorname fortgeholt hat", sagte Trim beruhigt. „Und was ist mit dir, Star?"
Startac Schroeder war Vollwaise. Er war 17 Jahre alt gewesen, als der Angriff des Dieners der Materie Ramihyn auf das Solsystem und
Weitere Kostenlose Bücher