2012 – Das Ende aller Zeiten
es mir über den Handrücken, läuft den Arm hoch … schüttle es ab, schüttleesab! Ich zuckte in wortlosem Ekel. Die kleine braune Eidechse ließ sich in aller Seelenruhe von meinem Handgelenk fallen und wand sich über den Zeltboden aus metalliertem Nylon davon. Qué jodadera. Werde auf meine alten Tage noch zum Stadtmenschen. Bin kein Kleinvieh und keinen Schmutz mehr gewöhnt. Ich sah auf die Zeitanzeige auf meinem Handy. 15.04 Uhr. La gran puta. Spät.
Okay. Wo zum Teufel war ich? Das Licht hatte einen merkwürdigen blaupurpurnen Ton. Ich blinzelte zur Decke hinauf. Sie war hoch und durch Kragsteine gestützt.
Ach ja, richtig. Ix ruinas. Aber Michael hatte gesagt, wir wären in einem der Paläste.
Ich streifte den klammen Schlafsack ab und setzte mich auf. Wie es aussah, waren alle anderen draußen. Der Raum war eine große alte Maya- audiencia , eine Empfangshalle von etwa fünfzehn mal drei Metern Grundfläche und vielleicht sechs Metern Höhe an der höchsten Stelle, in die ein einziger Durchgang in der westlichen Längsseite hineinführte. Die Tür war mit einer purpurblauen Nylonzeltbahn bedeckt. In der klassischen Epoche hatte ein großes Wandgemälde die rückwärtige Mauer geschmückt, und rund ein Fünftel davon war noch vorhanden. Links konnte man eben eine kleine Gestalt ausmachen, die eine Treppe hochstieg, und rechts ganz schwach einen Tempel, von dem Erdkrötinnenschnörkel ausgingen, doch in letzter Zeit – während der letzten Jahrzehnte, um genau zu sein – war Wasser eingesickert und hatte den Großteil der Stuckarbeiten weggespült. Dennoch war eszu dieser Jahreszeit verhältnismäßig trocken in dem Raum. Anas vorgeschobenes Team hatte den Guano der Fledermäuse hinausgeschaufelt, aber man konnte ihn noch riechen. Außerdem hatten sie bereits den größten Teil der Ausrüstung untergebracht, und das gesamte nördliche Drittel des Raumes war vollgestopft mit Ölbohrstäben, flexiblen Schläuchen, Bohrköpfen, vier 90- PS -Honda-Motoren, sechs Volvo-Wagenhebern und zwei großen gelben Kisten mit zwei Grab- und Probesammelrobotern von Schlumberger Oilfield Services, von denen einer mit Scheinwerfern und Videokamera ausgerüstet war. Es sah aus wie in einer präkolumbischen Werkstatt zum Demontieren gestohlener Autos. Näher am Schlafbereich standen zwei geräuschlose gasbetriebene Generatoren und eine Reihe von Wechselspannungsstabilisatoren, von denen sich ein Strang dicker Kabel aus der Tür nach Norden zu Hügel A schlängelte, zwei mittelgroße Laborgefrierschränke, eine Vakuumbox, eine Vakuumverpackungsmaschine, Rollen Aluminiumfolie für 14 C-Proben, ein 75-cm-Handschuhkasten, ein bislang unausgepacktes Luftschlauchsystem, zwei Wasserpumpen, ein Kompressor (alle bei Lab Safety Supply erhältlich), Kisten mit zwei Steinsägen und ihren kreisförmigen Blättern (ebenfalls Schlumberger) und das übliche Archäologenzeug: Schaufeln, Spaten, Etikettendrucker, Lichtkästen, Rollen mit Blasenfolie, Packkartons, Arbeitslampen, LED -Lampensonden, Pinsel, Besen und Sieb – insgesamt eine Ausrüstung, dass man damit ein gesamtes Kontingent an Doktoranden und Forschungspraktikanten ein ganzes Jahrzehnt lang beschäftigen konnte. Nicht dass hier wirklich irgendwelche wissenschaftlichen Arbeiten stattfanden. Die Hälfte von all dem Zeug brauchen wir nie, dachte ich. Na ja, beim nächsten Mal vielleicht tun sie …
Moment mal.
Tun. TONTO DID …
Hmm. DON TOD IT …
DON’T DO IT . Tu es nicht.
Ich hatte versucht, mich zu warnen.
Hölle.
Mach es nicht wie früher. Traue diesen Leuten kein bisschen. Mach nicht weiter mit diesem Irrsinn. Tu es nicht.
Hmm.
Ich lag da und wunderte mich, blinzelte auf ein hohes Trapezoid aus blauem Licht, die Nylonzeltbahn, die über die einzige Tür des alten Raumes gespannt war. Meine Zähne klapperten leicht. Tu es warum nicht? Hätte ich nicht ein bisschen genauer sein können? Weil es Gott ein Gräuel ist? Weil es unangenehm ist? Weil ich dann die letzte Folge der neuen Staffel von Gossip Girl verpasse?
Tolle Sache, dachte ich. Mein Unterbewusstsein braucht zehn Tage, um eine Buchstabenvertauschung auf Erstklässlerniveau zu entschlüsseln. Auf meinem Netphone hätte es vier bis sechs Sekunden gedauert.
Und heute Abend habe ich meine Verabredung mit einem Toten.
Y ahora que , was soll ich jetzt unternehmen? Abspringen? Mich mit No Way in den Busch verdrücken und nach Süden schleichen, nach Honduras hinein? Einen Nervenzusammenbruch
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