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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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nicht … o Hölle, o Hölle. Eine Woge der Klaustrophobie stieg in mir auf, und ich glaubte schon die Nerven zu verlieren, doch dann gelang es mir vielleicht nur deswegen, weil mein neuer Körper so erschöpft war, zu denken: Ruhig, ruhig, cálmate, beruhige dich, Jed, alles ist gut, du bist am Leben. Bleib locker. Locker-flockig. Wenn du in Panik gerätst, bist du geliefert.
    Durst.
    Vielleicht lag es an den Luftströmungen oder an der Hitze, die die Steine unter mir abstrahlten, oder an dem Gejaule eines Welpen hinter irgendwelchen Mauern, aber ich war mir ziemlich sicher, dass ich in einem kleinen Hof lag und dass es später Nachmittag war. Ich horchte. Ein eigenartiges Knarren war zu hören, und Truthähne machten ihre typischen Laute. Dann drang mir ein leiser, aber durchdringender Chor unzähliger Klatschlaute an die Ohren, das nostalgische, sentimentale Geräusch, mit dem Frauen waahob machen, Tortillas, wenn sie den Maisteig von einer Hand in die andere werfen. Ein Geräusch, das sich bis in Jeds Kindheit hinein nicht verändern sollte, ich meine, bis in meine Kindheit. Und in all dem Getöse – Mann, meine neuen Ohren waren wirklich erstklassig – glaubte ich, den Widerhall von Rufen zu hören und die schnellen, dumpfen Schläge eines Gummiballs.
    Holla.
    Mir schoss ein Bild von einem Spiel durch den Kopf – genauer gesagt: einem Hüftballspiel –, und es stammte nicht von mir. Also stammte es von Schakal. Ich sah einen Wald und einen gerodeten Streifen mit einem Haufen Baumstämme und Erde auf beiden Seiten – der schlichteste aller möglichen Hüftballspielplätze – und zwei nackte Jungen, die mich anstarrten, und hinter ihnen eine Schar von Leuten, die am Ende des Spielfelds standen. Ein Kind hatte das Gesicht voller Blut, und ich glaubte einen Moment, dass man mich bestrafen würde. Aber dann hörte oder erinnerte ich mich an Jubel, und ich begriff, dass es ein siegversprechender Zug gewesen war, eine starke Leistung, ihm den Ball in die Visage zu schmettern. Doch mehr sah ich nicht, ehe das Bild zu Schakals letztem sogenanntem Spiel überblendete, zu dem, was eine komplette Inszenierung war, ein Einzelmatch gegen 9-Reißzahn-Kolibri, wo der Ahau 7-Hunahpu spielte, den Heldenzwilling, und Schakal den Neunten Herrn der Nacht verkörperte. Das heißt, Schakal war der Böse. Es war eine Abendvorstellung, hundertfach erhellt von Fackeln. 9-Reißzahn-Kolibri hatte am anderen Ende des Hofes gestanden, in Vollmaske und auf stelzenartigen Plateausandalen, aber doch als achondroplastischer Zwerg erkennbar. Bühnenarbeiter – oder vielleicht wäre »Unsichtbare«, wie im No¯-Theater, die bessere Bezeichnung – bewegten einen hohlen Ball aus Papier mit zwei dünnen Schnüren, die an langen Stäben befestigt waren; sie schwenkten die Kugel hin und her wie einen Vogel beim Marionettenspiel. Natürlich wurde das Publikum dadurch nicht getäuscht, aber das war auch nicht beabsichtigt. Was die spirituelle Wirkung anging, waren die Bewegungen ebenso viel wert wie die Wirklichkeit.
    Zwei der Gesichter, da zweifelte ich kaum, kannte ich wirklich; ich hielt sie für meine Mannschaftskameraden beim Hüftballspiel: Der eine war ein faltenloser Knabe, dessen offenbarter Name, glaubte ich, Hun Xoc war – 1-Hai –, der andere war ein stämmiger Junge mit breitflächigem Gesicht namens 2-Hand. Aber ich hatte Mühe, mich in meinen Erinnerungen so schnell zurechtzufinden; es war wie … tja, und wieder dieselbe Frage. Wie fühlt es sich eigentlich an, Teil eines anderen zu sein? Als würde man bei völliger Dunkelheit aufwachen und merken, dass man in einem großen, fremden Haus ist, eingepfercht zwischen Möbeln und Kunstgegenständen, und nun muss man herausfinden, wie man ins Freie kommt. Ich hatte immer geglaubt, dass ich unter meiner weichen Schale ein hartgesottener Maya sei, doch jetzt erkannte ich, dass ich bloß ein unerzogener, ahnungsloser Yankee-Yuppie-Rüpel gewesen und dass in diesem Körper und mit diesem Verstand das Universum ein völlig anderes war. Zum Beispiel wusste ich noch, dass die Erde – oder wie wir sagen würden, mih k’ab , »Null-Erde« oder die nullte Schale der Schöpfung – kugelförmig war. Aber ich fühlte eine andere Welt um mich herum, weder kugelig noch flach. Sie sah eher aus wie ein Stapel Tortillas. Jede Lage oder Schale lag in einer anderen, so wie die Häute einer platt gedrückten Zwiebel, und obendrein waren sie lebendig.
    Ersticke.
    Komm schon. Atme. Geht

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