2012 – Das Ende aller Zeiten
mir
Ebenfalls sterben?«
Was? Oh, Scheiße! Darauf sollte ich vielleicht nicht direkt antworten.
Pause. Plötzlich hatte ich eine Idee.
»Jed?«, fragte ich. »Ich bin auch Jed DeLanda, weißt du. Du und ich sind wie Zwillinge.«
»Ich bin nicht Jed« , sagte er in altem Ch’olan.
Oh-oh, dachte ich.
»Wie du über …«, begann ich, doch 2-Juwelenbesetzter-Schädelöffnete die Hand und drehte sie leicht nach links, und dank Schakal wusste ich, dass es der Befehl war zu schweigen. Mit Pawlow’scher Geschwindigkeit klappte mein Mund zu. 2-Juwelenbesetzter-Schädel sah an mir vorbei und schaute den Buckligen an.
Die Wächter neben mir rückten auf Knien ein kleines Stück ab. Der Bucklige watschelte auf mich zu und blieb gut drei Arme vor mir stehen. Er musterte mich. Ich versuchte, keine Miene zu verziehen. Irgendwo tief in Schakal wusste ich, wer der Mann war. Er hatte kleine, verkümmerte Arme wie ein T-Rex, verwachsene Finger an der rechten Hand und einen ständig grinsenden Mund mit vorstehenden Zähnen im Oberkiefer, die fast einen Zahn weit auseinander standen. Das muss so was wie das Morquio’sche Syndrom sein, dachte ich. Wie alt ist der Bursche? Er sah alt aus, aber mit einer solchen Krankheit wurde man keine vierzig. Oder doch? Verdammt, wie heißt er noch mal? So ähnlich wie 10-Qualmende-Raupe oder ½-Falsche-Schildkröte. O ja. Ich weiß. 3-Blaue-Schnecke. Er war ein ajway , so was wie der Familienpriester, nur klingt »Priester« nach dem Mitglied einer großen Organisation, aber dieser Kerl war ein Privatunternehmer. Vielleicht kommt »Schamane« der Sache etwas näher, nur dass es sich nach einem Heini aus Sibirien mit Hirschgeweih auf dem Kopf anhört. Wie wäre es mit Theurg? Oder ist das zu extrafein? Nein, nehmen wir das Wort ruhig. Okay. Jedenfalls war ich ziemlich sicher, dass zu ihm – 3-Blaue-Schnecke, seines Zeichens Harpyien-Theurg – die Tenorstimme gehörte. Ja, ganz eindeutig. Mir kamen sogar ein paar Bilder vor Augen, wie er bei einer Erstverbrennungszeremonie herumtanzte. Wenigstens lernte ich allmählich, in Schakals Gedächtnis einzudringen. Der Trick bestand offenbar darin, in Ch’olan zu denken, aber nicht in der Ausprägung des 21. Jahrhunderts, sondern in dem ixianischen Dialekt, den sie hier sprachen, und dann nicht allzu zudringlich zu sein, sondern nur Gedankenassoziationen zu erlauben …
3-Blaue-Schnecke legte seinen Fächer aus Tabakblättern in eine Schale, nahm etwas anderes in die Hand, richtete sich zu voller Größe auf und verharrte. Niemand schien zu atmen, am wenigsten ich, und ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen. Ich bemerkte, dass er schnüffelte.
Hier läuft noch mehr ab, dachte ich. Nicht dass ich gewusst hätte, wie diese Leute sich normalerweise benahmen. Doch ich hatte das bestimmte Gefühl, dass sie wegen irgendeiner Sache vorsichtig waren, und nicht etwa meinetwegen. Es war, als wären wir in einem fremden Haus und wollten nicht belauscht werden. Aber das war doch 2-Juwelenbesetzter-Schädels Audienz- oder Thronraum oder so was, nicht wahr? Nun, vielleicht auch nicht. Womöglich war es nur ein zeitweiliger Aufenthaltsort … und auf jeden Fall musste mein Aufkreuzen sie alle ein bisschen aus dem Konzept gebracht haben.
Nach dem, was ich Schakals Kopf entnehmen konnte … na ja, es war verzwickt. Aber um es mal grob zu vereinfachen, wenn Ix in England läge, so um das Jahr 1450, dann wären die Ozelots wie das Haus Lancaster. Sie hätten noch alles in der Gewalt, wären aber unbeliebt und ausgeblutet. 2 JS ’ Harpyien entsprächen dann dem Haus York, das lange Zeit zweitrangig gewesen war, aber an Stärke gewann und mit dem Gedanken spielte, die Macht zu übernehmen. Dann gab es noch drei andere fürstliche Häuser in Ix. Zwei favorisierten die Harpyien, aber das letzte, das Vampirfledermaus-Haus, war untrennbar mit den Ozelots verbunden.
Also benutzten die Ozelots den Patzer auf der mul wahrscheinlich als Vorwand, um die Harpyien zu verfolgen. Gut. Mach damit weiter.
3-Blaue-Schnecke drehte sich auf dem Fleck um und wiederholte die Drehung, immer wieder, aber sehr langsam, langsamer als ein Derwisch, was ziemlich langsam ist. Jedes Mal, wenn er eine Himmelsrichtung passierte – Nordosten, Südwesten und so weiter –, schlug er einmal auf eine Tontrommel in seiner linken Hand, mit einem Fingerhut am Zeigefinger. Er lauschte auf Echos, schätze ich, oder auf feindliche Uayob’, die uns bespitzeln mochten, auf
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