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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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meinen Augen. Oben auf der mul hatte ich es schon vermutet, nur war ich dort ziemlich beschäftigt gewesen und hatte es wahrscheinlich mit einem Achselzucken abgetan.
    Schakals Augen waren anders. Die Farben sahen nicht so aus, wie ich sie als Jed wahrgenommen hatte. Meine Haut war auch nicht eigentlich grün; sie zeigte eher dieses falsche Grün, das entsteht, wenn man Gelb und Schwarz mischt, obwohl es das auch nicht so ganz traf. Die Farbe des Blütenblätterteppichs von den wilden Geranien, der dunkelorange hätte sein müssen, war leuchtend magentarot. Vielleicht ist Schakal auf seltsame Weise farbenblind, überlegte ich. Nur dass ich glaubte, mehr Farben zu sehen. Vielleicht war er ein Tetrachromat, der vier Grundfarben anstelle von dreien erkannte. Nur dass die wenigen belegten Fälle menschlicher Tetrachromasie allesamt bei Frauen aufgetreten waren.
    Stopp. Komm wieder ins Gleis. Darüber kannst du ein andermal nachdenken.
    »2-Juwelenbesetzter-Schädel
    Spricht zu dir,
    Gefangener unter ihm.
    Wende dich ihm zu, höre ihn.«
    Wieder die Tenorstimme. Ich hob den Kopf und spähte in das rote Dunkel.
    Ich befand mich in der Mitte eines hohen, quadratischen Raumes von ungefähr fünfzehn Armen Kantenlänge. Die Wände schienen scharlachrot zu leuchten … oder jedenfalls in der Farbe, die Jed als Scharlachrot empfunden hätte. Jetzt war es ein schauriges Unterwasser-Blaurotfleischfarben oder was auch immer. Die linke und die rechte Wand neigten sich im Dreißiggradwinkel einwärts, sodass die Wand, auf die ich blickte, ein dreißig Armlängen hohes gleichschenkligesDreieck war. Es schien keine Tür zu geben außer der, durch die wir gekommen waren und die genau hinter mir lag. Als ich klarer sehen konnte, bemerkte ich, dass die Wände aussahen, als würden sie von hinten erleuchtet. Tatsächlich waren sie mit Teppichen verkleidet, die möglicherweise aus den roten Halsfedern von Trogonten gewebt und auf Schilfgeflecht geknotet waren, und darin fing sich das Licht, das hinter mir in der Spitze der Dreieckswand von einem kleinen Ochsenauge ausging, einem runden Fenster, durch das grell die Sonne einfiel.
    Sechs Personen befanden sich im Raum. Drei davon waren die Wächter, die mich hergebracht hatten. Zwei kauerten rechts und links von mir, und ich spürte die Körperwärme des dritten im Rücken. Jeder von ihnen hielt eine Keule oder einen Streitkolben in der Hand, wahrscheinlich, damit sie auf mehr als nur auf Armeslänge Gewalt über mich hatten. Als einer der Streitkolbenköpfe meinem Gesicht nahe kam, konnte ich sehen, dass er nicht aus Stein war, sondern ein nadelkissenartiges Stachelding. Dann war da noch jemand drei Arme schräg links vor mir, ein Buckliger mit einem großen breiten Kopf und schiefem, blau gestreiftem Gesicht. Er trug einen konischen Federhut, mit dem er wie ein blauer Ara aussah. Wahrscheinlich klingt das ein bisschen seltsam, aber hier – oder vielleicht auch nur in meinem neuen, anders arbeitenden Verstand – wirkte er überhaupt nicht lustig, sondern im Gegenteil zum In-die-Hose-Machen furchterregend.
    Und dann, vier Armlängen vor mir, aber nur schemenhaft zu erkennen, saß 2-Juwelenbesetzter-Schädel mit gekreuzten Beinen auf einer breiten, doppelköpfigen Jaguarbank und rauchte eine lange grüne Zigarre durch das linke Nasenloch.
    Er saß um fünfundvierzig Grad von mir abgewandt, und anstatt mich anzusehen, blickte er auf zwei sandwichdosengroße, dunkle Schalen aus Flaschenkürbis oder Holz, die vor ihm auf dem Boden standen, jede mit weißgrünen Steinen besetzt, die die Hieroglyphe awal bildeten, das heißt »Feind«. Er trug einen Rock mit einer breiten Schärpe, die ihm fast bis ans Brustbein reichte, und ich konnte das Profil eines Schrumpfkopfes ausmachen, der mit den Haaren hinten an die Schärpe angenäht war, somit von ihm wegschaute und mit gereizterMiene sozusagen seinen Rücken bewachte. Abgesehen von den Arm- und Fußbändern aus Jade und den Rohledersandalen war das einzige andere Kleidungsstück ein kompliziert gebundener Turban mit einer künstlichen Vanilleorchidee, vermutlich aus gebleichten Adlerfedern, am oberen Stirnrand. Ein Kolibri mit grünem Hals – ein wirklich gut präpariertes Exemplar mit echt aussehenden, glänzenden Jettperlenaugen – schwebte auf einem fast unsichtbaren Halm vor der Orchidee, als wäre die Zeit in dem Augenblick stehen geblieben, als er gerade den Schnabel in den Nektar tauchen wollte. Einen Moment lang war ich irritiert,

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