2012 – Das Ende aller Zeiten
Tierdoppelgänger oder körperlose Blicke oder Homunkuli oder was auch immer. Seine Augen suchten die zwölf Ecken des Raumes ab und bewegten sich dabei unabhängig voneinander, was ziemlich befremdlich auf mich wirkte. Und es hatte nicht den Anschein, als hätte er ein latent schielendes Auge. Vielmehr sah es so aus, als könnte er die Bewegungen beider Augen unabhängig voneinander steuern und wie ein Chamäleon zwei weitauseinanderliegende Dinge gleichzeitig betrachten. Schließlich hörte er damit auf, bückte sich, nahm ein frisches Tabakblatt und benutzte es als Löffel, um ein Pulver oder Asche aus der Schale zu nehmen. Ein Blatt voll warf er über die rechte Schulter, eines über den Kopf, eines über die linke Schulter und eines vor sich. Wieder folgte eine Pause; dann schlug er einen harten, beunruhigenden Rhythmus auf seiner Trommel. Was es bedeutete, wusste ich entweder von Schakal oder erriet es aus der Offensichtlichkeit: Es hieß, wir alle seien rein, und ich solle 2-Juwelenbesetzter-Schädel wieder anschauen. Das gelang mir. Guck auf das Ding auf seiner Nasenwurzel, dachte ich, sieh nicht in seine Augen …
»Warum habt ihr mich gewählt und nicht den himmelgeborenen k’alom’te’? «, fragte er auf Ixianisch. Er meinte 9-Reißzahn-Kolibri. 2-Juwelenbesetzter-Schädel und seine Adligen waren ahau popob , »Herren der Matte«, aber wie ich wohl bereits gesagt habe, war der k’alom’te’ mehr so etwas wie ein »Kaiser« oder »Kriegsherr«.
»Haben wir nicht«, sagte ich auf Ixianisch. »Wir wollten … wir suchten nach 9-Reißzahn-Kolibri. Es war … es war ein Versehen.« Das letzte Wort sagte ich auf Englisch, weil es im alten Ixianisch für Versehen oder Zufall oder ähnliches keine Entsprechung gab.
»Warum habt ihr seine Sonne gewählt?«, fragte er und meinte dieses Datum.
»Wir haben diese Zeit gewählt, weil wir sie in einem Codex gefunden haben … das heißt, in einem Spielprotokoll in einem Leporellobuch.«
Pause. Er sagte nicht, er verstünde kein Wort, aber ich hatte das Gefühl, dass sein Englisch nicht ganz auf der Höhe war. Er musste weniger von mir abbekommen haben als ich selbst, so paradox das klingt. Vielleicht war er im Unterschied zu Schakal dem Hirnlöschteil des Programms entgangen. Er war noch sehr er selbst.
Ich wiederholte den Satz auf Ixianisch.
»Und hast du unter ahau-na Koh gekauert?«, fragte er.
»Was? Du meinst, ob ich sie gesehen habe?«, fragte ich. »Nein, wir haben nur in einem Codex von ihr gelesen.«
Pause. Ich dachte, als Nächstes würde er fragen, warum wir dieseStadt ausgewählt hatten, aber das tat er nicht. Soweit es ihn betraf, war Ix das Zentrum des Universums, und niemand konnte sich wünschen, woanders zu sein. Zu komisch, dass ihn das alles nicht allzu sehr zu überraschen schien. Er wirkte eher verletzt. Doch es schien, als wäre die Vorstellung, dass ich aus der Zukunft »gekommen« war, wie wir es nannten, für ihn keine große Sache. Ich schätze, hier war die Zukunft eher so was wie ein Ort. Ich vermute sogar, dass Uayob’ oder Seelen und dergleichen aus der Zukunft und der Vergangenheit ständig hier auftauchen …
»Was willst du mir als Ersatz für meinen ältesten Sohn geben?«, fragte er.
Was? Ich soll für den Tod seines Sohnes verantwortlich sein?
Das hörte sich gar nicht gut an …
Hatten sie seinen Sohn an meiner Stelle auf der mul einspringen lassen? Das musste es sein. So ein Mist! Gute Arbeit, Jed, alter Junge. Du nimmst wirklich jeden für dich ein. Herrscher sind meist ein bisschen empfindlich, wenn es um ihren Erstgeborenen geht.
Sollte ich mich entschuldigen?
»Ich unter dir verstehe nicht«, sagte ich.
»Du erweist mir über dir keinen Respekt«, entgegnete er.
»Aber nein, ganz im Gegenteil«, sprudelte ich hervor. »Ich entschuldige mich, aber ich verstehe nicht.« Und das tue ich wirklich nicht, verdammt noch mal.
»Ich weiß Dinge, die euch helfen können«, versuchte ich es anders. »Zwei Lichter von jetzt an wird es im Nordwesten einen Feuersturm geben.« Ich schaltete ins Englische um. »Einen Vulkanausbruch …«
»Wir über dir wissen das längst«, sagte er. »Die Addierer der Ozelots haben vor zwanzig Lichtern davor gewarnt. Du unter mir bietest gar nichts.«
Na, toll. Großartig. Das war’s also mit meiner großen Prophetennummer. Tja, schön, me cago en la mar . Womit könnten wir sonst noch aufwarten? Okay. Versuchen wir’s mit der nächsten Notfallrede:
»Ich unter dir
Will
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