2012 – Das Ende aller Zeiten
Himmelsrichtungen anzubieten, und hockte mich dann auf den Boden, beide Hände an der Stirn, um mich meiner Familie zu unterwerfen. Der Verwalter Langer Dinge trat als Erster vor und überreichte mir mein Blasrohr. Danke, genau meine Größe. Als Nächstes bekam ich einen frischen, nach Minze riechenden Tarn- wi’kal , einen mittellangen Umhang aus wattierter Baumwolle. So einen trug jeder, wenn es kalt wurde. Ihn als Poncho zu bezeichnen wäre nicht treffend, weil Ponchos rund oder achteckig und bis zum Saum geschlitzt sind, aber »Umhang« klingt ein bisschen nach Schneiderarbeit und Kapuze. Also ich werde sie Mantas nennen. Meiner hatte eine rot-schwarze Bordüre aus verschränkten Krallen, genau wie bei den anderen Geblüten. Die Wattierung bestand aus einer Art Bambus, war aber mit Hirschlederriemen verkleidet, die zu meinem Namen und genealogischen Zeichen verwebt waren. Der Hauptverzierer des Verwalters hatte zwei Tage lang nicht geschlafen, um ihn fertig zu bekommen. Danach traten die anderen Geblüte nacheinander vor und gaben mir etwas – ein Paar Sandalen mit Gummisohlen, ein PaarOhrhaspeln, ein Netz aus Hirschlederriemen und Gurtzeug, eine schwarze Manschette fürs rechte Handgelenk, eine Kette aus zwanzig Blasrohrpfeilspitzen, die zur Sicherheit in jungen Kiefernzapfen steckten, eine Reisemaske, einen Topf mit Hautgift, einen Topf mit Mundgift, einen Beutel für meine ungeweihten persönlichen Dinge, einen Beutel für meine geweihten persönlichen Dinge, eine schlichte Decke, also alles bis auf einen Quetzal in einem stachligen Birnbaum. Schließlich reichte 2-Juwelenbesetzter-Schädel mir einen Speer mit Adlerfedern an der Zwinge; das hieß, dass ich nicht nur ein Blasrohrkrieger war, sondern auch Mitglied seiner Familiengarde. Zwei Träger betraten den Kreis, hoben 2-Juwelenbesetzter-Schädel auf ihre Schultern, drehten ihn in alle vier Himmelsrichtungen und machten sich dann auf den Weg den Hügel hinunter nach Osten. Sobald sie außer Hörweite waren und wir gehen durften, erhoben sich die Geblüte und nahmen Aufstellung. Mein Gehilfe kam zu mir und krümmte sich zu einem Ball zusammen, was eine Art Kotau war. Ich sah ihn zum ersten Mal, wusste aber, dass sein vorläufiger Name, bis er Geblüt wurde, Gürteltierschiss lautete. Er war dreizehn Jahre alt. Vielleicht sollte ich ihn eher als Knappen bezeichnen – nur dass sich das so anhört, als wäre ich ein Ritter oder Samurai, und das war ich nun wirklich nicht. Noch nicht. Vielleicht sollte ich ihn meinen persönlichen Assistenten nennen, allerdings klang da nicht mit an, wie viel er von einem Altardiener hatte. Um ehrlich zu sein, es ist mir peinlich, ihn so zu nennen, wie wir ihn und die anderen Gehilfen wirklich nannten. Aber ich nehme an, da wir zusammen so weit gekommen sind, werde ich es dann doch ausspucken, sozusagen. Sie wurden a’anatob genannt, Fellator. Der Grund war, dass man auf einem Raubzug oder auf der Jagd und dergleichen keinen Sex mit irgendwem oder irgendwas haben sollte, weil es das männliche Sonst was erschöpfen konnte, aber was noch schlimmer war – der Geruch konnte den umherstreifenden Uayob’ der Feinde einen Tipp geben oder, am allerschlimmsten: Wenn man seinen Samen in eigenartigen Öffnungen hinterließ, konnten die Feinde ihn finden und benutzen, um einem die Räude an den Hals zu wünschen. Doch die meisten Geblüte, die man bei Raubzügen, Jagden oder Karawanen – rituell gesehen auch Jagden – dabei hatte, warenjunge Männer zwischen vierzehn und zwanzig Jahren. Sie können sich also vorstellen, dass die Vorschrift schwer zu befolgen war. Und darum mussten sich, wie so oft, die Praktikanten um unsere fleischlichen Gelüste kümmern. Auf diese Weise blieb alles gewissermaßen im Haus. Quasi ein Geheimnis der Kriegerloge. Puh. Bin ich froh, dass ich das jetzt von der Brust habe.
Jedenfalls packte Gürteltierschiss meinen neuen Kram bis zu den Ohrhaspeln zusammen. 12-Kaiman gab das Zeichen, aufzustehen. Die Geblüte grüßten in die Himmelsrichtung der Dörfer ihrer Vorfahren, und ich machte es ihnen nach, wenn auch mit einer Unsicherheit wie am ersten Tag auf der Highschool. Dann folgte ich ihnen durch ein zeremonielles Behelfstor.
Ohne Diskussion marschierten wir von der Kuppe des Hügels auf seine östliche Schulter hinab. Die Reihe der Nicht-Geblüte – sozusagen das Versorgungspersonal – stand reisefertig und in Marschordnung auf einem frisch gewässerten Pfad:
– sechs Wegbereiter oder
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