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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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»verblutet« hätten.
    Der Rassler-Kult war so etwas wie eine protestantische Bewegung, wie früher die des Echnaton und später die Luthers. Wo immer ein Syndikat von Priestern lange Zeit wirkt, häufen sie Reichtum an, und das nehmen die Menschen ihnen übel. Im Augenblick ritten die Rassler auf einer Woge der aufblühenden Beliebtheit bei den Besitzlosen. In sechs Tagen, also fünf Tage vor der Sonnenfinsternis, begann die Stille. Während dieser Zeit befand die Stadt sich im Zustand der Verdunkelung, und alle Feuer würden gelöscht, sogar die großen Scheiterhaufen auf den Spitzen der mulob’ . Zwar gab es alle zweiundfünfzig Jahre eine reguläre Stille, doch hierbei handelte es sich um eine eigens angeordnete, außerplanmäßige, und das machte sie noch beängstigender. Diese fünf Tage wären von keinen freundlichen Rauchern geschützt, von Ahnen oder sonst jemandem, weil sie keine realen und benennbaren Tage waren, sondern kosmische Irrtümer. Die Menschen würden durch eine gleitende Albtraumzeit treiben, der Gnade herzloser, böswilliger Uayob’ ausgeliefert. Viele Menschen hofften offenbar, diese Zeit durchzustehen, indem sie »auf dem weißen Rücken des Rasslerswandelten«, das heißt, ihn um Schutz zu bitten, wo jeder andere sie verlassen hatte. Jedenfalls wurde es von Tag zu Tag schwieriger, zu Frau Koh vorzudringen. Wir mussten rasch handeln.
    Dennoch, bei alledem wirkte 14 nicht sonderlich besorgt. Ihn schien das Ganze sogar kalt zu lassen. Vielleicht hatte er den Mythos von Teotihuacáns Ewigkeit verinnerlicht. Es stimmte natürlich, dass dieser Ort erheblich stabiler gewesen war als die Städte der Maya. Wenn ein Maya-Ahau mehrere Jahre in Folge versagte, stand ein vollständiger Regierungswechsel bevor, ob er nun durch Abdankung oder per Staatsstreich erfolgte. Oder der Ort der Siedlung wurde für befleckt erklärt und aufgegeben. In Teotihuacán war alles anders. Das bedeutete aber nicht, dass es ewig währen würde.
    14-Verwundeter hielt inne. 12-Kaiman schwieg. Weder er noch Hun Xoc oder ich hatten Frau Koh erwähnt. Und 3-Heimkehrende-Motte, unserem Erinnerer, hatten wir eingeschärft, seiner Eskorte nicht zu verraten, zu wem er ging.
    In letzter Zeit, fuhr 14 fort, hatten Puma-Gardisten immer wieder Rassler auf ihrem Weg vom Markt zum Forum der Rassler – der Ciudadela – behelligt, und vor zwei Tagen war eine ganze neu bekehrte Familie ermordet worden. Ihre Verwandten verlangten von den Pumas Schadenersatz, und es hieß, die Schwalbenschwänze hätten ihre Abmachung mit den Regen aufgekündigt.
    Bei all diesen Vorgängen sei die »Verschlingung« – die Sonnenbedeckung, die in acht Tagen eintrat – ein gefährlicher Augenblick.
    Schweigen. 12-Kaiman blickte Hun Xoc und mich an. Er trug die Furcht einflößende Miene eines befehlshabenden Offiziers, aber er sagte nichts. Wir auch nicht.
    »Du neben mir, hast du zusammen mit Frau Koh unseren Großen Vätern geopfert?«, fragte 12-Kaiman. Nach allem, was uns bekannt war, stand sie vielleicht nicht nur unter Hausarrest. 12-Kaiman wollte sich vergewissern, dass sie noch lebte.
    14-Verwundeter gab keine direkt Antwort, sondern erwiderte, dass er und die anderen Harpyien in Teotihuacán früher Frau Koh in Rassler-Prozessionen gesehen hätten, doch in letzter Zeit scheine sie dabei zu fehlen. Doch er fügte hinzu, dass sie wie einige andere Anhängerdes Rasslers als große Rednerin gelte, und es gebe ein Gerücht, dass sie in letzter Zeit Dienstschwüre von Hunderten von Menschen erhalten habe, die sich der Rasslergemeinschaft anschlossen.
    »Es heißt, vor vier Jahreszeiten habe jemand sie bei der Puma-Synode angeschwärzt«, sagte er. »In der gleichen Nacht kam ein Skorpion in das Haus des Denunzianten und stach ihn. Seine Augäpfel platzten, und er war blind.« Sie habe die Flut vor drei Jahreszeiten vorhergesagt, empfange nur die Oberhäupter weniger hochrangiger, den Rasslern verschworener Großhäuser und nehme keine neuen Klienten mehr an; sie habe zwei Ehefrauen und könne »das ungeborene K’atun lesen«, das heißt, zwanzig Jahre weit in die Zukunft blicken. »Und sie kann mit Spinnen reden und sie dazu bewegen, bunte Netze zu spinnen oder Seile und Banner zu weben.«
    Ich blickte Hun Xoc an. Er hielt den Kopf gesenkt – das Kopfschütteln eines Maya –, was hieß: »Sicher ist das möglich. Es geschehen seltsamere Dinge.«
    »Die Zwei Synoden trauen ihr nicht«, sagte 14.
    Offenbar stand Frau Koh nahe der Spitze, aber

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