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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
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erhob sich das obere Drittel der mul des Rasslers über eine hohe, nicht dazu passende Mauer. Angeblich hatten die beiden Synoden gedroht, den Rasslern Steuern abzuverlangen, wenn sie diese Barriere nicht errichteten, offenbar in dem Glauben, sie könnten dadurch, dass die mul weniger beeindruckend wirkte, die Anzahl der Übertritte zur Rasslergemeinschaft eindämmen. Doch wenn die Errichtung der Mauer überhaupt Wirkung gezeigt hatte, dann die gegenteilige. Der Platz warvoll; anscheinend war die mul des Rasslers der beliebteste Schrein in der ganzen Stadt. Wir schoben uns zwischen den Menschen hindurch und hielten in südsüdöstlicher Richtung auf eine Stelle zu, wo wir die mit Zinnen versehenen Dächer der Sakristeien des Rasslers südlich der mul sehen konnten. Eine davon gehörte den Seidenweberinnen.
    Die erste Gruppe, an der wir vorbeikamen, war ein weiterer Trupp Puma-Gardisten. Auf diesem Platz schienen sich viele von ihnen aufzuhalten und die Rassler im Auge zu behalten. Die nächste Gruppe war eine Schar alter Frauen. Zum ersten Mal sah ich Frauen ohne männliche Begleitung im Freien. Anders als auf den Plätzen im Norden schien hier jeder willkommen zu sein; daher sah man viele zerlumpte Gestalten. 14-Verwundeter hatte gesagt, die Kinder des Himmelsaals führten all ihre Wohltätigkeit und ihre Richtersprüche hier aus, doch man erhielt eher den Eindruck, sich auf einem öffentlichen Platz zu befinden und nicht an einem religiösen Ort. Es gab keine Stände, und keine Waren gingen sichtbar von Hand zu Hand, doch es war nicht zu übersehen, dass hier Geschäfte getätigt wurden, dass Tauschhandelsmakler Abschlüsse tätigten, Buchhalter mit Spielbrett-Abakus Zahlen addierten und Buchmacher Wetten entgegennahmen. Alte Städte nutzten stets ihren öffentlichen Raum, denn um Geschäfte zu machen, braucht man ein Forum, braucht man Agoras und Piazzas. Wir kamen an jüngeren Leuten vorbei, die taxac spielten, eine komplizierte Art von verbalem Spiel, und kak , das mit den Händen gespielt wurde. Mir fiel auf, dass das Pflaster unter meinen Füßen schwarz war; als wir am großen zentralen Altar vorbeikamen, wurde es erst gelb und dann rot. Das Pflaster war als Quadranten des Opferspiels bemalt, in leuchtenden Farben – einer Art Farbstoff, mit dem der Kalkstein getränkt wurde, vermutete ich. Wir kamen an einem Paar Rassler-Orakeln mit blauen Hüten vorbei, die durch die Menge zu streifen schienen und Fragen beantworteten. Missionarischer Geist, dachte ich. Wir umgingen Menschentrauben, die sich um Feuerschalen drängten und entweder dem Rassler selbst opferten oder – vermittels seiner Hilfe – Ahnen Opfer darbrachten, deren Namen oder Überreste verloren gegangen waren. Die meisten Stadtfremden sahen für mich aus wie Dorfvorsteher. Wahrscheinlich vertrat jeder von ihnen mehrere hundert Bauern von Gott weiß wo, dieam Rande der Panik standen. Linke-Yucca sagte, die Dürre hätte mehr Menschen denn je zum Himmelsaal geführt, dem Sternenrassler also. Er sagte, dass die Schwalbenschwanz- und die Aura-Synoden eigene Familien von Sonnenaddierern besaßen, aber die Addierer der Rasslergemeinschaft galten gemeinhin als die besten. Nach 14s Meinung lang es daran, dass sie schreiben konnten und eine Bibliothek besaßen. Einige dieser Addierer, erklärte er, seien eingewanderte Maya wie Frau Koh, also hätten sie vielleicht eine Insel der Lese- und Schreibfähigkeit aufrechterhalten. Angeblich sprach Koh Fremde wie die Zu-Großen an, weil sie ihre Opferungen in vielen unterschiedlichen Sprachen ausführte. Dem Rassler sei die Sprache egal, sagte Linke-Yucca, und er verlange nicht nach teuren Geschenken, nur nach Musik, Minz- und Tabakrauch und ein paar Haarsträhnen.
    Trommelschläge ertönten ringsum. Die Bewegung der Menge wurde langsamer und stoppte ganz. In der ganzen Stadt hallte das Getrommel wider, und man hörte, wie es sich in die Höhen und noch weiter ausbreitete. Einen Rhythmus wie diesen hatten wir noch nie gehört; es war eine Art Unheil verkündendes Rollen aus fünf Schlägen.
    »Sie sagen, dass sie jetzt die Stadtgrenzen schließen«, sagte Linke-Yucca. »Zwei Tage zu früh.« Sie riegelten die Stadt für die Vigil ab, und niemand kam mehr herein oder hinaus.
    Verdammt, dachte ich. Ich sah Hun Xoc an. Na ja, jetzt sitzen wir in der Falle, besagte sein Blick. Wir müssen einfach das Beste daraus machen.
    Als das Trommeln aufhörte, wandte die Menge sich wieder ihren Geschäften zu, aber hastiger

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