2012 – Das Ende aller Zeiten
kauerten in den Ecken des Raumes vor Arbeitsrechnern, drückten Tasten und unterhielten sich leise auf HSLAM .
»Wir haben die meisten Siliziumchips durch dotiertes Germanium ersetzt«, sagte Taro. »Trotzdem beträgt die Wärmeverlustleistung noch immer fast dreihundert Watt. Im Augenblick kühlen wir ihn deshalb wie einen alten Cray. Die Kühlflüssigkeit ist Plasma vom gleichen Typ, das man bei Synthobluttransfusionen verwendet.«
Er führte mich an den Tank, als wäre ich ein Tourist, der das Rock National Monument besucht. Ich kniff die Augen zusammen und blinzelte in den Behälter. Aus der Nähe konnte man sehen, dass dasschwarze Gebilde nicht massiv war, sondern aus einem hohen Stapel papierdünner schwarzer Leiterplatten bestand, jede mit einer Kantenlänge von gut einem Meter und weniger als einen Zentimeter von der nächsten getrennt. Schlieren von der Wärmebewegung zogen sich von einzelnen Platten durch die farblose Flüssigkeit wie Luftflirren über einem sommerlichen Highway.
»Toll. Raffiniert«, sagte ich. Demonio , es war kalt in diesem Raum. Höchstens fünfzehn Grad. Ich brauche gleich eine verdammte Babydecke, dachte ich. Oder lieber zwei Glas Tres Años. Brrrrrrrrrrrrrrrrrrr.
»Aber natürlich ist das nur die CPU «, sagte er. »Die Laufwerke sind in einem anderen Gebäude. Und der Speicher … nun, ich weiß gar nicht genau, wo der ganze Arbeitsspeicher ist. Ziemlich viel steht in Korea.«
»Wie schnell ist er?«, fragte ich.
»Im Augenblick erreichen wir fast sechs Petaflops.«
»Wow.« Klingt teuer, dachte ich.
»Derzeit laufen auf LEON zweihundertsechsundfünfzig simulierte Welten, die der wirklichen um etwa zehn Minuten voraus sind. Und für jede dieser Welten spielt er mehr als fünf Millionen Verzweigungen des Opferspiel-Baums gleichzeitig. Jede einzelne ist ein Spiel mit drei Steinen.«
»Wie viele simulierte Geschäfte fahrt ihr?«, fragte ich.
»Etwa zwanzigtausend am Tag«, antwortete er. »Ich weiß nicht, wie viele tatsächlich abgeschlossen werden.«
»Hm«, machte ich. Auch das ist so toll an Taro. Die meisten Leute wären jetzt völlig zugeknöpft gewesen und hätten etwas in der Richtung gefragt wie: »Wo hast du denn gehört, dass wir überhaupt Geschäfte simulieren?« Aber so tickte der gute alte Taro nicht.
»Würdest du gern ein Spiel gegen ihn spielen?«, fragte er.
»Nichts lieber als das.«
»Hast du schon mit drei Steinen gespielt?«
Ich bejahte. Ein Spiel mit drei Steinen bedeutet, dass man drei Läufer benutzt, also den Stein, der repräsentiert, was tatsächlich geschieht und der vor den Jägersteinen flieht, die andere Möglichkeiten darstellen. Die Sache ist nun die, dass es nicht bloß dreimal schwierigerist, mit drei Steinen zu spielen als mit einem, sondern um einen Faktor 3 3 schwieriger, also siebenundzwanzig Mal, so wie ein Matt-in-drei-Zügen-Endspiel beim Schach erheblich schwieriger ist als ein Matt-in-zwei-Zügen-Endspiel. Wie auch immer, ich benutzte in der Regel nur zwei Steine, war aber zuversichtlich, es auch mit drei Steinen schaffen zu können, jedenfalls gegen eine Maschine. Was das Spiel angeht, ist für Computer noch immer Hopfen und Malz verloren.
Taro holte mir einen wackligen Laborschemel, und ich setzte mich vor einen alten 3-D-Monitor von NEC . Taro setzte sich auf den beschichteten Arbeitstisch und begann, auf einem Touchpad herumzufuhrwerken.
»Du weißt, dass das durchschnittliche menschliche Gehirn etwa zwei Milliarden Rechenschritte pro Sekunde durchführt?«, fragte er beim Klappern des Eingabegeräts.
»Ja, man muss sich ganz schön ranhalten, um durchschnittlich zu sein«, erwiderte ich.
»Darüber hinaus sollten wir weitere sechs bis acht Milliarden Operationen einkalkulieren, nur um den Parallelismus hinauszukompilieren.« Ich nickte, als hätte ich mir das ohne Weiteres selbst überlegen können. »Um aufzeichnen zu können und einen Sicherheitsspielraum zu bekommen, müssen wir das noch einmal verdoppeln. Damit sind wir bei etwa zwanzig Milliarden Operationen pro Sekunde. Solange es also mit normaler Geschwindigkeit durchläuft und wir in LEON selbst nichts zu speichern brauchen, kommen wir mit seiner Rechenleistung so gerade eben aus.«
»Toll«, sagte ich. Und wozu, fragte ich mich. Wollt ihr eine neue Herrenrasse von allwissenden anorganischen Superwesen züchten? Na ja, dann hätte ich wenigstens jemanden, mit dem ich reden kann. Jawohl, ich weiß genau , auf wessen Seite ich beim letzten Kampf zwischen
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