2012 – Das Ende aller Zeiten
sich unter der Befragung auch immer gezeigt hatte, sie war jetzt unterwegs. Genauer gesagt, hatte sie sich schon vor sehr langer Zeit auf den Weg gemacht, war angekommen, hatte getan, was getan werden musste, und war gestorben.
Sie schafften mich hastig aus der Ahau-Nische heraus. Der Himmel war dunkelgrau, und die Sterne waren verschwunden. Michael Weiner und Hitch, der Kameramann, standen noch auf der Plattform und halfen Marena, mich die bröckelige Treppe mit ihren sechsundsechzig Zentimeter hohen Stufen hinunterzuführen.
»Ich kann gehen«, sagte ich.
»Ja, aber nicht besonders gut«, entgegnete Marena.
Am unteren Ende der mul war eine freigelegte Fläche, und ein Weg führte am Palast vorbei bergab zum Fluss. Ich stolperte ihn entlang. Ana und Grgur warteten an dem schmalen Sandstrand, wo Marena und ich vor vierzehn Stunden unser kleines Techtelmechtel gehabt hatten. Ana sprach, eine Hand aufs Ohr gelegt, in die Luft.
»Was ist denn los?«, wandte Marena sich an Michael, nachdem Weiner wieder zu Atem gekommen war. Nach unseren Einweisungen war dies die Stelle, an der uns nun das Hippogriff-Schwenkrotorflugzeug hätte auflesen sollen, falls wir einen sofortigen Abgang machen mussten.
»Ana meint, wir müssen uns sofort zurückziehen«, sagte Michael. Im Gegensatz zu Marena, Lisuarte und mir hatte er die ganze Zeit dem Funkverkehr gelauscht.
»Warum?«, fragte Marena.
»Eine Patrouille rückt an. Sie glauben, sie kommt vielleicht hier vorbei.«
»Scheiße«, sagte Marena.
»Wenn sie nicht hierherkommen, können wir später zurückkehren.«
Wir warteten. Ana redete weiter. Sie erklärte nichts.
»Wo ist No Way?«, fragte ich. Michael sagte, er wisse es nicht. Boy Commando schien ebenfalls nicht in der Nähe zu sein. Ich suchte meinen Ohrenstöpsel, setzte ihn ein und schaltete ihn an.
»… sechzehn Kilometer«, sagte Anas Stimme. »He, wohin wollen Sie?«, fragte sie lauter.
»Ich muss zurück zum Palast und meine Sachen holen«, antwortete Marena.
»Negativ, Asuka«, erwiderte Ana. »Niemand geht weg.«
»Warum können wir uns nicht mit den anderen ES -Leuten irgendwo im Wald verstecken?«, fragte ich. Ich machte mir zunutze, dass Ana gerade nicht sendete.
»Weil sie die Augen nach uns aufhalten, wenn sie unser ganzes Zeug finden«, antwortete Ana. »Wir müssten uns bis zur Route Vierzehn ranhalten, und selbst dann fassen sie uns vielleicht doch noch. Wir sind dieses Szenario durchgegangen.«
»Da muss ich gefehlt haben«, entgegnete ich.
»Wie auch immer, der Hippo landet unbemerkt. Er hat eine gefälschte Signatur und bringt uns problemlos hier raus.«
»Was, wenn sie …«, wollte ich fragen.
»Wenn sie an der Stätte vorbeimarschieren, sind wir in zwei Tagen wieder hier und fangen an zu graben«, sagte sie. »Keine weiteren Fragen bitte.«
Ich hielt die Klappe. Sie hatte unerwähnt gelassen, dass es sehr lange dauern würde, bis wir wieder hierher zurückkehren könnten, falls die Patrouille unsere Ausrüstung und unser Zeug fand. Und nur in Ix würde Jed 2 sich beerdigen lassen. Oder hätte sich beerdigen lassen, sollte ich wohl sagen. Wenn wir die Königsgräber nicht ausbuddelten, würden wir nie erfahren, ob er es geschafft hatte.
Und es ließen sich auch keine von Jed 2 s Erinnerungen in mein Gehirn transferieren. Was immer ich dort gesehen hatte, ich würde es für mich behalten. Und vor mir verbergen, wenn Sie mir folgen können. Verdammt noch mal. Andererseits sollte ich in gewisser Weise erleichtert sein, denn wenn so etwas geschehen wäre, hätten seine Erinnerungen meine Erinnerungen ausgelöscht, also die, die ich in den letzten paar Minuten gebildet hätte, oder seit dem Zeitpunkt beim Transfer, an dem sich unsere Bewusstseine getrennt hatten, und das –
»Okay, er kommt«, sagte Ana. »Zwei Minuten.«
Ich nickte. Zerbrechen wir uns über das alles später den Kopf.
Ein großer schwarzer Schatten huschte über uns hinweg. Wir hörten einen Knall und das Jaulen eines großen Motors, dann ein pulsierendes Tuckern, und hinter dem Flecken von Seerosenblättern verwandelte sich die glatte Wasserfläche in Haifischhaut. Wie es schien, war das Ding über uns geradewegs einer Falte in der Luft entstiegen. Es sah aus wie ein weißer Knoten in der Mitte eines langen geraden Armes, der sich langsam vor und zurück drehte wie die Nadel eines großen Kompasses. Das ist der Hippogriff, dachte ich benommen. Er muss irgendein Schnellzündsystem haben. Sie sind im Gleitflug ohne
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