2012 - Die Prophezeiung - Alten, S: 2012 - Die Prophezeiung - Phobos
Agler verharrt regungslos. Sein Kopf ist leicht nach vorn geneigt, so dass sie seine Augen nicht sehen kann.
»Ich bin Dominique Vazquez. Ich bin nur eine Doktorandin, Sie können also ganz locker bleiben.«
Sam blickt auf. Seine animalischen Augen sind so schwarz, dass man unmöglich erkennen kann, wo die Pupille endet und die Iris anfängt. Doch es ist nicht sein Blick, der Dominique schaudern lässt, es ist die Tatsache, dass er in der Luft herumschnüffelt – dass er sie riecht.
In einer einzigen flüssigen Bewegung steht er auf, beugt sich nach vorn und inhaliert ihren Geruch.
Sie macht einen Schritt nach hinten, ihr Herz hämmert wie rasend. »Das ist ein neues Parfüm. Mögen Sie es?«
»Blut.« Das Wort kommt rau aus seiner Kehle wie ein letzter, keuchender Atemzug. Er beugt sich näher heran.
Sie macht sich bereit zum Kampf. Ihre Muskeln zittern. Scheiß auf Michael Gabriel. Wenn dieser Wahnsinnige mir zu nahe kommt, knacke ich sein Knie wie ein Streichholz.
Sam schließt die Augen. Seine Nasenflügel zucken. »Beide Abstammungslinien. Kukulkan und … Quetzalcoatl. « Er öffnet die Augen wieder. »Ihr Blut fließt in meinen Adern. Wie kann das sein?«
Ihre Gedanken rasen. Spiel mit. Sorge dafür, dass er weiterredet. »Eine gute Frage. Ich werde Ihnen eine Antwort darauf geben, aber bevor ich das tue, habe ich einige Fragen an Sie. Zum Beispiel diese: Wie heißen Sie?«
»Ich bin Chilam Balam.«
»Wissen Sie, warum Sie hier sind?«
»Ich wurde zurückgeschickt, um die Erde zu retten.«
Mein Gott, ein klassischer Fall von Schizophrenie.
»Was ist Schizophrenie?«
Ein eisiger Hauch streift über ihr Rückgrat, sie bekommt eine Gänsehaut. »Wie können Sie …«
Vorsicht, wir werden beobachtet. Die Vasallen von Sieben Ara lauern überall.
Dominique fasst sich an den Kopf. Der Strom der Gedankenenergie versetzt ihr Gehirn in Schwingung wie eine Stimmgabel.
Er tritt näher an sie heran. Das Licht der Leuchtstoffröhren tanzt wie die Strahlen des Mondes in seinen Augen. Wir müssen uns beeilen. Die Tagundnachtgleiche rückt näher, ein weiterer Schlag steht unmittelbar bevor. Wie schnell können Sie mich befreien? Ich kann die Stimmen nicht mehr lange im Zaum halten.
Die Wände drehen sich. Das Blut weicht aus ihrem Gesicht.
Die Tür schwingt auf.
Dominique drängt Paul Jones beiseite und stürmt aus dem Isolationsraum, während die Stimme des Patienten langsam in ihrem Kopf verklingt.
Sechs Stunden später verlässt Dominique das Klinikgebäude. Die Hitze des Spätnachmittags schlägt ihr ins Gesicht, und in der Ferne zuckt ein Blitz über den düsteren Himmel, als sie ihren Daumen auf die schlüssellose Türverriegelung ihres brandneuen Cabrios drückt, eines schwarzen Pronto Spyder, den sie von ihren Pflegeeltern als Geschenk zu ihrem Studienabschluss bekommen hat.
Schwere Regentropfen schlagen gegen die Windschutzscheibe, während der Wagen vom Parkplatz rollt, und noch immer haben sich ihre Nerven nach der morgendlichen
Begegnung mit ihrem neuen Patienten nicht völlig beruhigt.
Dreißig Minuten später fährt sie in das unterirdische Parkhaus im Hollywood-Beach-Hochhaus. Sie steigt aus dem Wagen, nimmt den uralten Aufzug in den fünften Stock und hält beim Aussteigen die Tür auf, so dass Mrs. Jenkins und ihr weißer Miniaturpudel es noch in den Lift schaffen.
Hinter der letzten Tür auf der rechten Seite des Gangs liegt ihre kleine Wohnung. Sie schließt auf, und das scharfe Aroma von frischem Gemüse, Huhn, Knoblauch und Teriyaki-Sauce strömt ihr entgegen. Michael Gabriel mischt die verschiedenen Zutaten in einem Wok, wo er sie kurz anbrät.
»Was machst du hier? Wie bist du hereingekommen? Das ist ein streng bewachtes Gebäude!«
»Ich habe gesagt, dass du meine Verlobte bist. Sie haben mir praktisch den Schlüssel in die Hand gedrückt. «
»Du kannst nicht einfach in meine Wohnung eindringen, wann immer dir danach ist, und … etwas kochen. Was kochst du überhaupt?«
»Geschnetzeltes.«
»Na schön. Dann essen wir, und danach kannst du gehen.«
»Ich hatte Recht mit Foletta, stimmt’s?«
»Du hast mir nicht gesagt, dass Agler völlig durchgeknallt ist.«
»Er hat elf Jahre Einzelhaft hinter sich. Wie würdest du dich wohl fühlen, wenn du elf Jahre lang nur deine eigene innere Stimme gehört hast, die mit dir spricht?«
»Nein, nein, nein. Hier geht es nicht nur um einen Mangel an Sinneseindrücken. Er hat mich beschnüffelt wie ein Hund und irgendwie
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