2012 - Folge 3 - Tödliches Vermächtnis
wir sprachen damals über seine Sammlung. Ich hoffe, sie wurde nicht zerschlagen.«
»Halten Sie mich für einen Barbaren, Mister Ericson? Ich habe zwar nie die Leidenschaft meines Vaters für alles Alte geteilt, aber ich habe jedes Stück behalten.«
»Auch das Artefakt, das Ihr Vater auf Cozumel …? Sie wissen schon, Señor Tirado, dieses einmalige, besondere Objekt …«
» Seltsam wäre wohl die zutreffendere Bezeichnung. Ja, auch dieses Stück. Sie kennen es, Mister Ericson?«
Tom war nicht in der Lage gewesen, sofort darauf zu antworten. Erst mehrere tiefe Atemzüge hatte er seine Überraschung überwunden gehabt. Nach all den Rückschlägen war die Bestätigung so schnell und schlicht erfolgt, dass er nicht damit gerechnet hatte.
»Ihr Vater hat mir davon erzählt … Gesehen habe ich das Licht schluckende Artefakt noch nicht.«
»Ich schlage vor, Sie schauen in den nächsten Tagen bei mir vorbei, Mister Ericson, dann sehen wir weiter. Was halten Sie von übermorgen …?«
Und nun stand er hier, in einem der neuen Stadtteile von Madrid, umgeben von einer eigenartigen Mischung aus Ruhe und Hektik, und spürte eine innere Unruhe, wie er sie nie gekannt hatte.
Am liebsten wäre er sofort zu dem Penthouse hochgefahren, allerdings hatte er mit Tirado eine feste Zeit vereinbart. Der Mann war Anwalt, eine durchaus prominente Person in Madrid, und viel beschäftigt.
Noch zwanzig Minuten.
Eine Ewigkeit …
Moderne Hochhäuser prägten längst schon die Skyline Madrids. Als Tom Ericson das Gebäude durch den Hauptzugang betrat, tauchte er in eine andere Welt ein, die sich aus Marmor, spiegelnden Wänden, Glas und viel Licht identifizierte. Das Flair, das der Hauptstadt Spaniens zwischen der Sierra de Guadarrama und dem Rio Manzanares anhaftete, blieb ausgesperrt. Ebenso hätte Tom einen der Wolkenkratzer in New York, Tokio oder irgendwo sonst auf der Welt betreten können und er hätte den Unterschied kaum wahrgenommen. Eigentlich beängstigend für einen Archäologen, zu sehen, wie die Unterschiede überall immer schneller verwischten. Wie alles uniform und austauschbar wurde. Genormt.
Geschäftigkeit herrschte. Auch hier Ladenpassagen, weit gespannte, frei tragende Rolltreppen.
Tom widmete seiner Umgebung die übliche angespannte Aufmerksamkeit. Nichts, was ihm Gefahr signalisiert hätte. Nirgendwo ein weiß Gekleideter oder ein Indio, der ihn beobachtete.
Vor den Aufzügen stauten sich die Leute. Aber das waren nur die Zugänge zu Geschäften und Büros, die bis zur fünfzehnten Etage reichten, wie Tom an den Leuchtziffern sah. Nach weiter oben gab es zumindest von hier aus keinen Zugang.
Tom bog in einen Seitentrakt der Halle ab. Rasch wurde der Trubel des späten Vormittags hinter ihm leiser. Augenblicke später war er allein, als liege all die Hektik und Geschäftigkeit plötzlich meilenweit hinter ihm.
Auf die Zugangssperre stieß Ericson nach der nächsten Biegung. Der Mann, der hinter schusssicherem Glas über eine Welt aus Monitoren wachte, hatte die Anmutung eines Hotelportiers. Korrekte Kleidung, bis auf den offenen Kragenknopf. Tom nannte sein Ziel und musste einen taxierenden Blick über sich ergehen lassen.
»Señor Tirado erwartet Sie, das ist korrekt. Nehmen Sie Aufzug Nummer fünf bis zur dreißigsten Etage und gehen Sie dann den gebogenen Korridor bis zu dem kleinen Kuppelraum. Von dort aus melden Sie sich bei Señor Tirado an.«
»Danke.« Tom erhaschte einen Blick auf mehrere Monitore. Die Parkdecks auf den unteren Etagen, der Einkaufsbereich … Das Gebäude war bestens abgesichert. Selbst jemand, der durch Wände gehen konnte, würde hier so gut wie keine Chance haben.
Das Drehkreuz gab den Weg frei.
Ericson fuhr mit dem Aufzug in die Höhe. Nur er allein. Dezente Gitarrenmusik erklang aus verborgenen Lautsprechern, verbreitete Ruhe und Gelassenheit und trotz der Moderne einen Hauch des alten Spaniens.
Der Kuppelraum war üppig begrünt. Bougainvillen rankten an den Wänden empor, Strelitzien wuchsen in einem Beet in der Mitte des Raumes. Tom war einigermaßen über die Immobilienpreise in Madrid informiert. Wer in einer solchen Umgebung wohnte, für den spielte Geld nur eine untergeordnete Rolle.
Er hatte Fotos von Tirado im Internet gefunden. Ein Typ, auf den die Frauen flogen, trotz seiner siebzig Jahre. Plastische Chirurgie hatte ihn optisch jung gehalten, aber auch sonst zeigte er den Elan eines Mannes in den besten Jahren. Den Rest machte vermutlich sein
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