2012 - Schatten der Verdammnis
klaren Kopf zu bekommen. Er zieht sich rasch an und schlüpft aus der Kabine.
Nach zwanzig Minuten findet er hinaus auf die >Vultures’ Row<, einen offenen Balkon über dem Flugdeck. Die Nachtluft ist kühl, die Meeresbrise streicht ihm besänftigend über die Haut. Er hält sich die Ohren zu, als ein Jäger in den klaren Nachthimmel katapultiert wird.
Wieder spulen sich die Worte des Hüters in seinem Geist ab. Nur ein Hunapu kann hindurchgehen. Nur ein Hunapu kann das Böse aus eurem Garten vertreiben und deine Spezies vor der Vernichtung retten.
Ich kann dich spüren, Michael. Du bist ganz nahe...
»Was?«
Komm zu mir, Michael. Hab keine Angst vor mir. Komm zu deinem Schöpfer.
»Aufhören! Hör auf!« Michael presst die Augen zu und fasst sich mit den Händen an den Kopf.
Komm zu mir.. . zu deinem Vater.
»Lass mich zufrieden!« Mick wirbelt herum, die Augen angstvoll geweitet.
Marvin Teperman packt ihn an den Schultern und schüttelt ihn. »He, was ist denn?«
»Was? Ach, Scheiße. Ich... ich weiß nicht. Ich glaube, ich werde verrückt.«
»Da geht es dem Rest der Welt nicht anders. Sie konnten nicht einschlafen, was?«
»Nein. Teperman, die Drohne, die in Chiehén Itzä gelandet ist - wissen Sie genau, wo die steht?«
Der Exobiologe zieht ein kleines Notizbüchlein aus der Jackentasche. »Augenblick, das steht hier irgendwo. Da ist Chichén Itzä... Also, die Drohne ist innerhalb eines Areals gelandet, das man den Großen Ballspielplatz nennt. Direkt in der Mitte, um genau zu sein.«
Mick spürt, wie ihm ein Schauder am Rücken hinabläuft. »Genau in der Mitte? Sind Sie sicher?«
»Ja. Was ist denn?«
»Wir brauchen einen Hubschrauber! Teperman, können Sie uns einen besorgen?«
»Einen Hubschrauber? Wofür?«
»Ich kann es nicht erklären, aber ich muss nach Chichén Itzá - sofort!«
Sanibel Island Florida
5.12 Uhr Edith Axler steht am menschenleeren Strand und blickt auf den grauen Horizont und das Speedboat in der Ferne, das rasch näher kommt. Winkend steuert ihr Neffe Harvey das Boot direkt auf den Strand.
»War es schwierig, den Zugang zu SOSUS zu finden?«
»Nein.« Harvey reicht ihr eine große Spule mit dem Ende eines Glasfaserkabels, das fast vollständig abgewickelt ist. »Das Mikrofon war genau da verankert, wo du gesagt hast. Aber nach dieser ganzen Sache mit der schwarzen Flut war es ein wenig unheimlich, mitten in der Nacht zu tauchen.«
Harvey steigt aus dem Boot und folgt seiner Tante zum Hintereingang des Labors. Drinnen startet Edith den SOSUS-Computer, während er das Glasfaserkabel mit dem Gerät verbindet.
»Haben wir damit Zugang zu jedem Mikrofon im Golf von Mexiko?«, fragt er.
»Es ist ein integriertes System. Solange dieses Kabel hält, müsste es eigentlich klappen. Wir haben zwar keine Verbindung zum Zentralcomputer in Dan Neck, aber wir müssten durchaus in der Lage sein, dieses außerirdische Raumschiff zu belauschen.«
Harvey grinst. »Ich komme mir so vor, als würde ich umsonst das Kabelfernsehen anzapfen.«
Golf von Mexiko
6.41 Uhr Die Jägerstaffel kreist weiter im Formationsflug über dem Meer. Nervös warten die Piloten auf die ersten Sonnenstrahlen. Unter ihnen haben die John C. Stennis und ihre Begleitschiffe ihre Position eingenommen. In fünfzehnhundert Metern Abstand von dem leuchtenden Fleck im Meer bilden sie einen weiten Kreis.
In vierhundertfünfzig Metern Tiefe schwebt die Scranton, ein Angriffs-U-Boot der Los-Angeles-Klasse, unter der Flotte. Schweigend warten Kapitän Bo Dennis und seine Mannschaft darauf, den Befehl zu befolgen, den sie erhalten haben - alles, was aus dem leuchtend smaragdgrünen Loch aufsteigt, zu vernichten.
Auch an Bord des Flugzeugträgers herrscht atemlose Spannung. Die mit Tomahawk-Raketen bestückten Batterien an Bug und Heck sind auf den leuchtenden Fleck ausgerichtet. Ihre tödlichen Geschosse zeigen in den Himmel und sind bereit, augenblicklich abgefeuert zu werden. Drei Predator steigen auf und gesellen sich zu einem Dutzend weiterer unbemannter Flugzeuge, die bereits über dem Zielbereich kreisen.
Die sechstausend Männer und Frauen an Bord der schwimmenden Stadt sind reine Nervenbündel. Sie haben die Presseberichte gelesen und die Krawalle im Fernsehen gesehen. Wenn tatsächlich die Apokalypse droht, dann stehen sie direkt an ihrer Schwelle. Ihr Selbstvertrauen, gestählt in Tausenden von Stunden intensiver Ausbildung, hat sie verlassen, nachdem sie der atomaren Katastrophe nur knapp entkommen
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