2012 - Schatten der Verdammnis
herausbekommen, welche Beziehung zwischen den verlängerten Schädeln Mittelamerikas und ihren in Nazca gefundenen Gegenstücken bestand. Ich kann mich noch an die erste Woche erinnern, in der ich auf dem Plateau arbeitete. Ich schwitzte in der brutalen peruanischen Sonne, die mich täglich schlimmer folterte und mein Gesicht und meine Arme mit Bläschen überzog. Hätte mir damals jemand gesagt, ich würde irgendwann in dieses Fegefeuer aus Sand und Stein zurückkehren, um dort den Rest meiner Tage zu verbringen, ich hätte ihn für verrückt erklärt.
Verrückt.
Es fällt mir schwer, dieses verfluchte Wort auch nur hinzuschreiben. Inzwischen werden viele von euch sich die Frage stellen, ob sie den Bericht eines Wissenschaftlers oder den eines Irren lesen. Ich muss gestehen, dass kein Tag vergeht, an dem ich nicht genau dasselbe tue. Sollte ich tatsächlich den Verstand verloren haben, dann ist die Wüste von Nazca daran schuld. Ihre unablässige Hitze hat mein Gehirn anschwellen lassen, ihr erbarmungsloser Boden hat mir jahrzehntelang die Arthritis in die Knochen gehämmert. Jede Möglichkeit, inneren Frieden zu finden, ist an dem Tag verschwunden, an dem ich meine Familie zum Aufenthalt in dieser Wüste verdammt habe. Ich bete, Michael möge mir vergeben, dass er in dieser Hölle aufwachsen musste. Vergeben möge er mir auch die anderen Ungerechtigkeiten, die ich seiner gequälten Seele in ihrer Kindheit auferlegt habe.
Von Sommer 1972 bis Winter 1974 schuftete unser kleines Team in Nazca und grub in kultischen Gräberfeldern, die
wir in der Nähe der Berghänge entdeckt hatten, Hunderte deformierter Schädel aus. Die sorgfältige Untersuchung aller Schädel zeigte, das die Deformationen durch Holzbretter verursacht worden waren, in die man sie im frühkindlichen Alter eingebunden hatte.
Im Januar 1974 entdeckten wir in der Nähe der Berge eine königliche Grabstätte. Die Wände des beeindruckenden Grabes bestanden aus enormen Felssäulen, die jeweils zehn bis zwanzig Tonnen wogen. In der unterirdischen Kammer befanden sich dreizehn männliche Mumien, die alle einen verlängerten Schädel hatten. Unsere Spannung erreichte einen neuen Höhepunkt, als gründliche Röntgenaufnahmen und andere Tests zeigten, dass die Schädelform dieser Toten - genau wie bei dem Schädel, den Maria in La Venta gefunden hatte - ausschließlich auf genetische Faktoren zurückzuführen war!
Die Entdeckung einer neuen Menschenrasse erwies sich als ebenso Aufsehen erregend wie erschreckend. Nachdem der peruanische Präsident von unserer Entdeckung gehört hatte, ließ er all unsere Funde in einen verschlossenen Kellerraum des Archäologischen Museums von Ica bringen, zu dem die Besucher keinen Zugang haben. Bis heute können die Schädel nur auf einen speziellen Antrag hin betrachtet werden.
Wer war diese mysteriöse Rasse? Wieso wurde sie mit Schädeln geboren, die zweimal so lang waren wie die normaler Menschen?
Wir wissen, dass die ersten Menschen, die die Anden erreichten, Jäger und Fischer waren, die sich um 10000 v. Chr. an der peruanischen Küste niederließen. Dann, gegen 400 v.Chr., gelangte eine andere Gruppe auf das Nazca-Plateau. Über dieses geheimnisvolle Volk ist uns nur wenig bekannt, abgesehen davon, dass es seine Anführer als Viracochas bezeichnete und für Halbgötter hielt, die gleich nach der großen Flut nach Südamerika gezogen waren. Die Viracochas
werden als hellhäutige weise Männer beschrieben, mit tiefblauen Augen und wallenden weißen Bärten und Haaren. Offenbar besaßen diese prähistorischen Herrscher eine überlegene Intelligenz und ungewöhnlich große Schädel. Es war zweifellos ihr bizarres Aussehen, das ihr Volk auf die Idee brachte, seinen königlichen Anführern nachzueifern, indem es die Praxis der Schädeldeformation einführte.
Die physische Ähnlichkeit zwischen den Viracochas und dem großen Lehrer der Maya, Kukulkan, ist zu deutlich, um ignoriert zu werden. Die Tatsache, dass ein hoch gewachsener, bärtiger >Europäer< außerdem in den Mythen zahlreicher anderer alter Andenkulturen auftaucht, ist ein weiterer Hinweis auf eine Verbindung zwischen den indianischen Völkern Mittel- und Südamerikas.
Die bedeutendste indianische Kultur, die in den bergigen Wäldern Südamerikas entstand, war die der Inka. Wie die Maya verehrten auch sie einen großen Lehrer, einen Weisen, der sein Volk förderte, indem er es in den Naturwissenschaften, im Ackerbau und in der Architektur
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