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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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mit dem Rücken zum Tor, womit ich zeigte, dass ich keinerlei Feinde hatte. Ich grüßte in Reihenfolge jeden, zuerst 1-Gila – den ich »Vater« nannte –, dann 3-Kralle und schließlichKohs Mutter. Ich benutze das Wort »grüßen«, doch es waren Dutzende unterschiedlicher Grußzeichen, damit angefangen, dass man die Nase auf den Boden knallte und den Staub leckte, bis hin dazu, sich lediglich ein wenig zu versteifen. Es hing davon ab, wer man war und mit wem man sprach.
    Dann musste ich eine kleine endlose Ansprache halten, die von jedem mit einer dreimal so endlosen Rede erwidert wurde. Im Grunde sagte ich dabei nur: »Hi, mein Name ist 10-Roter-Skink, ich bin unwürdig«, und sie antworteten: »Hi, ja, das wissen wir.«
    Auf ein Zeichen hin trabten hinter mir meine Träger herein. Einer von ihnen stellte sich hinter mich. Er trug einen langen, mit einer Kappe verschlossenen Krug, der mein konserviertes Bein enthielt, nur um zu zeigen, dass kein Feind es erbeutet hatte und ich offiziell noch immer unversehrt war. Die Oberträgerin legte drei große Kugeln aus Hochlandjade ins Zentrum der Matte. Dann trat sie zurück, während die anderen Trägerinnen sich daranmachten, Körbe um die Steine zu setzen wie die Strahlen eines Sternes. Die Oberträgerin folgte ihnen gegen Uhrzeigersinn um die Matte und nahm die eng gewobenen Deckel ab und stellte die Speisen vor mich hin: Chak-Figuren aus aufgetriebenen Amaranthsamen, durch hellroten Annattosirup zusammengehalten; geringelte Schnüre aus einer außergewöhnlichen seltenen Art winziger Chilischoten, die angeblich dazu führten, dass man männlichen Nachwuchs zur Welt brachte; rote Maniok-Oblaten und geröstete Große Sapoten; Süßkartoffelfleisch, das zu Hasen und Papageien geformt war wie Marzipan im Barock, und schließlich einen Topf mit gepulverter Koschinelle, extrahiert aus schätzungsweise mehr als zweieinhalb Milliarden der auf Kakteen lebenden Schildläuse.



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    Die Serviererin bewegte sich nach rechts, gegen den Uhrzeigersinn, und öffnete Schüsseln mit durchscheinend-weißen Kornblumenkeksen, die aussahen wie Kommunionsoblaten, cremigen Kürbiskernpralinen und vier Zwanzigpfundblöcken aus reinem Hochlandquellsalz, das zu Statuetten der zwergenhaften Jahresträger behauen war. In einem großen Bündel steckte das Fell eines reinweißen Bären mitsamt Tatzen und Kopf, der aus unbekannten Fernen im Norden kam. Mittlerweile begann der Hochzeitssymposiarch mit seiner Rede zu meinen Gunsten. Sie folgte einer festen Vorlage, die für den Anlass personalisiert wurde. Zuerst zählte er die viele Arbeit auf, die ich für Kohs »Eltern« angeblich geleistet hatte. Stammte man beispielsweise aus einer mittleren Kaste, musste man den Brauteltern jahrelang bei allen möglichen Dingen helfen, wenn man eine begehrenswerte Frau aus ihnen herauskitzeln wollte. Doch das wurde mir gewissermaßen summarisch erlassen wegen der heroischen Dienste, die ich für Kohs »Rettung« aus Teotihuacán geleistet hatte, und für den Sieg in dem Ballspiel und so weiter. Als Nächstes ließ er sich darüber aus, was für ein großartiger Knabe ich doch sei, und am Ende wies er auf einige herausragende Qualitäten des immensen Brautpreises hin, den ich zahlte. Das war vermutlich kein völliger Schwindel – immerhin ging eine Menge Harpyien-Land an Rassler-Einwanderer –, aber natürlich hatte Koh selbst die entsprechenden Verhandlungen bereits geführt, die Sicherheiten hinterlegt, die Geschenke gemacht und so weiter. Wie auch immer, ich denke mal, ein bisschen Schwindel ist bei allen Hochzeiten dabei.
    Während der Symposiarch sprach, bewegte sich die Serviererin in den westlichen Quadranten, sodass sie mir gegenüberhockte – praktisch direkt vor 1-Gilas Füßen. Sie begann, Tabletts mit langenschwarzen Vanilleschoten aufzudecken, Stränge wohlschmeckender schwarzer Wasserwanzen aus dem heutigen Nicaraguasee, die angeblich immun gegen Hautkrankheiten machten, Krüge voll verdächtig aussehenden schwarzen Pilzen, tintige Rollen aus marinierter Haifischhaut und schließlich zwanzig Blöcke aus konservierenden Lindenblättern, die jeweils um zwanzig kleinere Bündel aus mit Anisaroma versetzten Avocadoblättern gewunden waren, von denen jedes zweihundertsechsundfünfzig in Dolinen gezogene Kakaobohnen enthielt, geröstet und bereit zum Mahlen. Der letzte Quadrant zu meiner Linken begann mit Körben voll Papayas und in Streifen geschnittenen Ananas, bestreut mit zerriebenen

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