2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
Oder hatte ich in den Briefen unter dem Magnetsteinkreuz darüber gefaselt, wie wir hofften, es in Gang zu bekommen? Ich konnte mich jedenfalls nicht daran erinnern …
»Nur für den Fall, dass es irgendwelche komplexen Erinnerungen gibt, die du nicht zusammenhängend behalten kannst«, sagte sie.
»Okay, aber vorher möchte ich aufstehen.«
»Na, na, du hast Betäubungsmittel im Blut. Es wäre besser, es gleich zu machen, wie in den Übungen. Erinnerst du dich?«
»Ja«, sagte ich. Gib ihnen lieber etwas, dachte ich. Gib ihnen nur nicht die riesengroßen Sachen, ehe du rausbekommen hast, ob …
28.
Hmm.
Ich sah die Ziffer 28 in Schwarz vor drei hellblauen Streifen auf weißem Feld.
Moment mal …
28. Mérida Fútbol Club. Rechtshändig. Yukateko.
O Gott.
Das war nicht mein Körper.
Es war der Körper von Tony Sic.
(81)
Ich kreischte:
»WO IST DER ANDERE JED?«
Im Allgemeinen versuche ich ja, für jede Lage eine passende höhnische Bemerkung parat zu halten. Sie muss nicht einmal komisch sein, blasiert und gemein reicht völlig. Aber diesmal klappte es nicht. Ich kreischte nur. Darüber hinaus brachte mein Gehirn es trotz Entsetzen, Erstaunen und apokalyptischer Wut sogar noch fertig, an die Szene zu denken, wo Ronald Reagan in einem ähnlichen Raum aufwacht und ähnlich laut schreit: »Wo ist der Rest von mir?«, oder so ähnlich.
»Wo ist Jed?«, brüllte ich. Mein Gott. Ich hatte gewusst, diese Leute waren ernst zu nehmen – ein Rüstungskonzern mit Amigos an höchster Stelle und Söldnern, die einen binnen eines Lidschlags verschwinden lassen konnten –, aber ich hatte mir nicht vorstellen können, dass sie zu so etwas fähig waren. Nicht so etwas.
Ich wollte mich aufsetzen, aber mehr als zwei Paar Hände in quietschigen Handschuhen hielten mich »sanft, aber mit Nachdruck« zurück, wie es früher in Melkanleitungen hieß. Ein Händepaar schloss das Blutsauerstoffding wieder an meinen nichtdominanten Ringfinger an; ein anderes betastete etwas weiter oben am Arm, das sich anfühlte wie ein IV -Port.
»Ist er tot?«, kreischte ich. Mein Gott, mein Gott. Ich hatte geglaubt, ich hätte mir jeden schändlichen Trick ausgemalt, den die Warren-Familie Fürsorglicher Firmen abziehen konnte, und jetzt war ich mit etwas völlig Neuem konfrontiert. Ich hatte auch gedacht, dass Marena und Taro … War Taro hiermit überhaupt einverstanden gewesen? War Marena wirklich so eine mörderische Psychopathette mit Frostschutzmittel statt Blut? Tony Sics Gehirn, dachte ich. Heilige Scheiße. Diese choza mit dem Fresca-Logo, ging es mir durchden Kopf, aber es war keine Erinnerung von mir selbst, es war eine von Tonys frühesten Erinnerungen. Und diese Frau, Consuela, war seine Mutter. Heilige mierdi...
»Jed geht es gut«, sagte Lisuarte.
»Aber er weiß es nicht? Der andere Jed weiß nichts davon?«
Sie antwortete nicht. Ich versuchte zu erkennen, wer sonst noch im Raum war, aber als ich den Kopf drehen wollte, fühlte er sich an wie eine dieser riesigen behelmten olmekischen Hüftballerbirnen. Trotzdem bekam ich den Eindruck, dass es ungefähr ein Dutzend Leute waren. Medizinisch-technische Assistenten? Krankenschwestern? Krankenbrüder? Warren-Gorillas? War Fiesling Grgur hier?
Ich muss hier raus.
Ganz langsam schob ich mich vom Untersuchungstisch. Ich wollte aufspringen, die Wächter k. o. schlagen, einen Live-Firmenausweis klauen, das Gebäude verlassen und mich ins Indianer-Territorium absetzen, aber dann sank ich wieder zurück, als trüge ich Trainingsgewichte, oder als wäre mein Blut aus Blei. Sogar meine Ohrläppchen waren erschöpft.
»Jed«, sagte Marena. Sie legte mir die Hand auf die Stirn, und der Ärmel ihres taubenblauen Laborkittels rutschte hoch. Ich konnte das Plastikarmband mit dem Live-Warren-Firmenausweis sehen. »Du musst dich entspannen. Deine motorischen Funktionen sind noch nicht ganz wieder da …«
»Ihr Gehirn baut noch Verbindungen zu den neuen Erinnerungen auf«, sagte Lisuarte. »Wenn Sie …«
»Er weiß es nicht?«, unterbrach ich sie. »Jed … ich meine, der andere Jed, weiß nichts von mir?«
»Jed geht es gut«, sagte Marena. »Und nein, er weiß noch nicht einmal, dass wir wieder zu der Ausgrabungsstätte zurückgekehrt sind. Aber wir werden es ihm sagen. Wenn du willst, kannst du es auch persönlich tun.«
Verdammt, also würde ich mir selbst begegnen. Ich hatte gedacht, damit wäre es vorbei, nachdem ich 2 JS erledigt hatte, diesen Dreckskerl. Und jetzt
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