2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
besteht, jemanden quicklebendig in Gewahrsam zu nehmen, sind solche Waffen nutzlos. So viel dazu.
Gestern hatten wir den Einsatz geprobt. Einer von uns hatte das Ziel von hinten festgehalten, der andere hatte es gefesselt. Ich wusste so zumindest, dass es möglich war. Sie sagten sogar, mehr Leute wären überflüssig gewesen. Trotzdem, es …
Gonnng!
Das bedeutete, dass jeder bereit und alles klar war. Einen Augenblick war es still, dann gongte es wieder, höher diesmal, was »Aufbruch!« bedeutete. Ich drehte den Handgriff und spürte die Vibrationen des lautlosen Propellers. Das DPV setzte sich träge in Bewegung und zog mich hinterher. Vorwärts!, dachte ich. Wieder in den Lendenschurz! Halt deinen Mut nur am Punkt des Schraubs. Ich richtete mich nach der Strömung aus. Schneller und schneller zog der wellige Schlickboden unter mir vorbei. Eine Schule von smaragdgrünen Stachelmakrelen schoss vor uns aus der Dunkelheit, machte kehrt und verschwand wieder mit völlig synchronen Bewegungen wie bei abgerichteten Tauben. Weiter. Die Strömung war stärker, als die Armbandanzeige behauptete. Vielleicht war ich aber auch verweichlicht, weil ich die ganze Zeit nur Geld gezählt hatte. Während der Probeläufe hatten die SBS -Jungs meine Taucherfähigkeiten ziemlich belächelt. Klar, die hatten ja auch ein paar Jahre lang unsere Freiheit verteidigt,indem sie in fünfunddreißig Grad warmer Rohbrühe im Persischen Golf umhergetunkt und Blindgänger aus Wracks gefischt hatten. Ich hatte versucht, ihren Spott mannhaft zu ertragen. Gott sei Dank besaß wenigstens Marena nicht genügend Taucherfahrung, um den SEAL zu spielen. Trotzdem hatte sie sich geweigert, am Ufer zu bleiben.
Komm schon. Das schaffst du. Von wegen Schweiß, Blut oder Tränen. Vorwärts! Vorwärts marschiert! Wasserschlieren umströmten mich wie Anime-Geschwindigkeitslinien. Wenn man in purer Schwärze taucht, kommt es einem vor, als bewegte man sich nicht waagerecht, sondern fiele. Bewegung, Bewegung … Youch!
Verdammt. Immer noch Probleme im Schritt. Einfach ignorieren.
Okay. Nachdenken. Jed 1 ’ Boot ist fürs Tauchen eingerichtet. Die Leine kommt daher wahrscheinlich von der Leeseite. Von Backbord. Hmm.
Vor allem durch Glück hatten die beiden Kerle, die Ana ihre »konventionellen Detektive« nannte – Ermittler, die digitale und papierne Spuren verfolgten –, uns ein gutes Foto der Blue Sun verschafft. Sie waren eine Liste mit allen mehr als zehn Meter langen Booten durchgegangen, die in Jed 1 ’ »aktiver Zone« registriert waren, einem Gebiet, das er in weniger als einem Tag Reisezeit an der Oberfläche erreichen konnte. Sie waren dabei auf achtundsechzig infrage kommende Boote und deren Standorte gestoßen. Ich hatte sie mit den Bio-Karten verglichen und nach weniger als fünf Minuten das richtige Riff ermittelt. Es war eine nicht allzu bekannte Kolonie von Dendrogyra cylindricus , Kandelaberkorallen, die die Nahrungsquellen einiger Nacktkiemer sind, darunter Lasidorus greenamyeri , die möglicherweise eusoziale Spezies, die Sun-Hin Hsu und Tobi Ramadan in der Dezemberausgabe des Journal of Malacological Studies beschrieben hatten. Jedenfalls sprachen Anas Detektive daraufhin mit einigen Skippern aus der Gegend und erfuhren, dass die meisten Riffe im Laufe der vergangenen zehn Jahre gestorben waren. Doch fünf Kilometer vor der Küste, am Südende eines dieser Riffe, lebte noch ein Stück und war nahezu unberührt. Daraufhin waren die Ex- SBS ler mit der Gotengo dort hinausgefahren. Nach nur vierzig Minuten Lauschen war Ogras Stimmabdruck auf dem Wellenformmonitor erschienen.
Wir waren alle ziemlich aufgeregt. Megalon war froh, dass Jed 1 tauchte und nicht an Deck in der Sonne lag. »Ihn unter Wasser zu fassen ist erheblich sicherer«, sagte er. »Die meisten Fehlschläge gibt es bei Enterversuchen.« Als er mich fragte, ob es möglich wäre, dass Jed 1 sich eher das Leben nimmt, als sich gefangen nehmen zu lassen, hatte ich genickt. Deshalb wollten sie ihm lieber keine Zeit lassen.
Megalon sagte, dass es früher – also vor ungefähr zehn Jahren – ziemlich schwierig gewesen sei, eine Zielperson in solch einem so großen Bereich des Meers zu lokalisieren. Heutzutage benutzte der Boat Service piezoelektrische Wandler, die ihre Daten an ein Kurzweil’sches Programm übermittelten, das sich auf von Menschen erzeugte Geräusche einschoss, besonders auf den typischen Rhythmus von Unterwasseratemgeräten. Solange sie nicht die Luft
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