2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
halten«, sagte er.
Das weiß ich selbst, dachte ich. Aber ich schnalzte nur – was in Ix ein »Ja« bedeutet – und nickte widerstrebend.
Mit Rudel meinte er Katzenrudel, die Reste – zahlreiche Reste, sollte ich sagen – der Katzensippen von Teotihuacán und ihren Hunderten von Satellitenstädten. Nach dem Zusammenbruch hatten sie sich neu formiert und bedrohten Frau Koh und jeden, der mit ihr verbündet war.
»Das wird uns gelingen«, sagte ich. Sei zuversichtlich. Mäuschenund Götter stehen auf Zuversicht. Und es stimmte auch, denn im Moment hatte ich tatsächlich die Nase vorn. Besonders bei dieser Sache mit Frau Koh. Ich erkannte einen aufsteigenden Stern, wenn ich ihn sah. Koh hatte bereits mehr als achtzigtausend Menschen unter ihrem kleinen blaugrünen Daumen und stand erst am Anfang. Aus welchem Grund auch immer, Koh billigte meine Pläne, das Spiel zu überliefern und ins letzte B’ak’tun zurückzukehren. »Und ich werde zusehen, dass ich zurückgehe.«
Ich bin mir sicher, er verstand, dass ich »zurück ins 21. Jahrhundert« meinte. Wenn man in diesem Zusammenhang von verstehen sprechen kann.
»Du machst dir keine Sorgen wegen Abgetrennte Rechte Hand?«, fragte Maximón.
Zing! Vielleicht klang ich doch ein bisschen zu flippig. Pass auf.
Hmm. Der Name Abgetrennte Rechte Hand war an Kohs Ratsmatte gefallen, doch handelte es sich bei ihm um eine schattenhafte Gestalt. Angeblich war er ein untergeordnetes Mitglied der roten Synode von Teotihuacán gewesen, der Kriegssippen also, und er besaß nur zwei Bündel rosa Binsen, war also nur achtzehn Jahre alt. Gestern hatte er Frau Kohs G2 zufolge – natürlich nannten wir sie nicht G2, sondern b’acanob’, »Flüsterer«, was man mit »Nachrichtendienst« gleichsetzen könnte – die überlebenden Patriarchen der Schwalbenschwanz-Synode getötet, der er selbst angehörte, und die beiden rangnächsten Puma-Duarchen sowie die meisten überlebenden Synodenmitglieder gefangen genommen.
»Vielleicht sollte ich mir viel größere Sorgen machen«, sagte ich.
»Abgetrennte Rechte Hand ist resolut. Und er hat gerade weitere achtundzwanzigtausend Geblüte adoptiert.«
Ich schnalzte respektvoll dreimal, was bedeutete: »Bitte fahre fort.«
Maximón sagte, Abgetrennte Rechte Hand kommandiere mittlerweile wenigstens viertausend Züge zu je zwanzig Geblüten. Davon seien etwa vierzehntausend Mann vollwertige Geblüte aus den Puma-Sippen, Experten im Umgang mit der Speerschleuder, der typischen teotihuacánischen Waffe; sie ließen sich in offener Feldschlacht am schwierigsten zurückschlagen. Er hatte sein mobiles Hauptquartierin Tehuacán eingerichtet – das trotz der Namensähnlichkeit weder identisch war mit Teotihuacán noch eine Satellitenstadt. Der Ort lag zwei Jornadas weißwärts, also nördlich, von uns. Abgetrennte Rechte Hand hatte die Überlebenden aus dem teotihuacánischen Rat der Vierhundert mitgebracht. Außerdem hatte er geschworen, sämtliche Rasslerkinder zu fangen und ihre Köpfe und Häute der Grünen Hexe zu schenken, einer Art Süßwasserelementargeist, der alten Schutzherrin von Teotihuacán.
Abgetrennte Rechte Hand behauptete, dass Koh – die »Groß-Älteste aller Kinder des Sternenrasslers«, wie sie sich nun nannte – den Untergang Teotihuacáns nicht nur vorhergesagt, sondern auch herbeigeführt habe. Diese Behauptung besaß den Vorzug, im Grunde wahr zu sein. Kohs Ansehen bei ihren eigenen Gefolgsleuten hatte das jedoch keineswegs geschadet: Selbst unsere klügeren Sippenhäupter, denen die Gerüchte über ihre Umtriebe noch gegenwärtig waren, schienen ihr treuer ergeben zu sein denn je. Obwohl der offizielle Grund für den nunmehr unausweichlichen Bürgerkrieg wie immer Rache war, bestand das eigentliche Ziel darin, Kohs Uayob’ einzufangen, ihre aktivsten Seelen.
Teotihuacán war das Lourdes, Jerusalem, Rom und Mekka von Mesoamerika gewesen, und wer immer es zerstören konnte, musste über gewaltige Macht gebieten. Wenn Abgetrennte Rechte Hand Koh gefangen nahm und sich durch Folter ihre Uayob’ einverleibte, erlangte er ihre Kräfte der Prophezeiung und Dominanz. Kohs frühere Gefolgsleute wären verpflichtet, ihm zu gehorchen. Er würde die Vernichtung Teotihuacáns rächen und zugleich am meisten davon profitieren.
Doch ungeachtet all dessen waren sie vor allem aus wirtschaftlichen Motiven hinter uns her. Die versprengten Puma-Sippen hatten den Großteil ihres Reichtums verloren und benötigten
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