2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
Tun – nach dem gregorianischen Kalender Januar 665 – würde es mir gesundheitlich so schlecht gehen, dass ich nicht mehr normal agieren konnte. Lange vorher musste ich eingepackt, verschnürt, frankiert und vergraben sein. Und dann mussten wir abwarten, ob ich richtig zugestellt wurde.
Tja, bloß keinen Stress. Aber sollte ich Maximóns Rat wirklich annehmen? So gesehen handelte es sich ja um meinen eigenen Rat, aber das Ganze war schon recht verdreht.
Nun, wenn ich von den Jungs im Alten Mayaland eines gelernt habe, dann ist es das Wissen, dass ein Gehirn kein einheitliches Etwas ist. Wie die Maya es sehen, hat man einen ganzen Stall voll unterschiedlicher Seelen. Einige davon sind menschlich, einige sind tierisch, und andere, wie zum Beispiel der ik’ar, der »Wind«, oder sagen wir, der Atem, sind mineralisch. Und wer schlau war, ließ sie miteinander reden und sorgte dafür, dass sie einander zuhörten.
Die anderen und ich kämpften uns den Hang hoch, der von Geröll aus zerbröckeltem Sandstein bedeckt war. Irgendwann verzichteten wir auf unsere Würde und krochen auf allen vieren, die Füße auswärts gerichtet, um zusätzlichen Halt zu finden. Dennoch rutschte ich mehr als einmal ab und schrammte mir die Unterarme auf. Ich blickte mich um und sah mit leichtem Frösteln, wie klein unser Trupp vor der zyklopischen Landschaft wirkte. Wie gesagt, ich hatte nur zweiundzwanzig Träger mitgenommen, dazu vier Harpyien-Sippen-Geblüte einschließlich meines Adoptivbruders Hun Xoc, sechs ixianische Rassler-Geblüte, 7-Leguan – der Harpyien-Opferer –, unseren Oberwegbereiter, 4-Schrei, mit seinen neun Leuten und ein paar andere Erfüllungsgehilfen. Das reichte nicht, um auch nur eine einzige Veintena – einen Zwanzigertrupp – echter Soldaten abzuwehren. Wenn sie uns fanden.
Die Steigung flachte zu einem weiten ovalen Tafelland ab, das über dem Ascheschleier unter uns trieb wie ein Krater auf einem winzigen C-Asteroiden. Wir stellten Posten am Rand auf. Dann maß ich dreihundertfünfzig Schritte zum näheren Brennpunkt des Ovals ab und winkte Hun Xoc. Er gab den Befehl an die Träger weiter. Siestellten ihre Lasten ab, setzten ihre Holzschaufeln zusammen und begannen zu graben. Hun Xoc, seine beiden Träger und ich nahmen eine Vermessungsschnur von vierzig Armlängen mit rechtem Winkel und markierten die vier kleineren Löcher, in die wir die Magnetsteine legen würden. Im 21. Jahrhundert wären sie auf jedem Microwave-Sounder-Satelliten von Warren Communications deutlich zu erkennen. Ehe die nötige Tiefe erreicht war, stießen die Graber auf Fels. Sie tauschten die hölzernen Schaufeln gegen Spitzhacken und machten weiter. Hun Xoc, die anderen Geblüte, 7-Leguan und ich setzten uns auf die Stapel aus gummierten Beuteln und sahen zu. Großhäusler rührten Erde nicht an.
Wir warteten. Maximón hatte recht gehabt, was den Wind anging. Herr Papayago hatte mit mächtigen Schritten die Ebene überquert, aber wenn man hier oben Staub aus der Hand fallen ließ, rieselte er senkrecht nach unten. Eigenartig.
Wir hatten sechs nahezu identische, jeweils zwanzig Fingerbreiten durchmessende Terrakottakrüge mitgebracht. Sie waren mit gummiertem Hirschleder umhüllt und sahen aus wie zusammengefallene gelbe Wasserbälle. In Innern jedes Krugs befanden sich zwei weitere Terrakottagefäße mit einer Wachsschicht dazwischen. Deshalb fasste jeder Krug nur etwas mehr als einen halben Liter. Dennoch enthielt jeder vier kopierte Bücher nach Art eines Leporello-Albums; sie enthielten meine Aufzeichnungen über das Opferspiel, zwei Jadeitfläschchen mit den gereinigten Tzam-lic-Komponenten, Kröten und andere kleine Tiere, die nach sechs verschiedenen Methoden mumifiziert worden waren, sowie zwei zusammengefaltete Miniaturspielbretter aus Federgewebe, alles in teures cholulanisches Steinsalz gepackt. Ich hoffte, Marena und Co. fanden genug Informationen darin, um das Armageddon abzuwenden. Dennoch konnte ich mich jetzt nicht einfach durchhängen lassen. Selbst wenn sie das Paket bekamen – und da war ich mir ziemlich sicher – bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie ohne die besonderen Fähigkeiten und Spezialkenntnisse, die ich von Koh aufschnappte, das Opferspiel nicht effizient genug spielen konnten, um alle potenziellen Doomster aufzuhalten. Wenn wir noch sicherergehen wollten, musste mein funktionstüchtiges Gehirnzurück – schon wieder »zurück« –, und zwar mit seiner gesamten kostbaren
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