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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D'Amato
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denen einige so groß waren wie ein einstöckiges Haus. Sie sahen aus wie eingefrorene Tretminenexplosionen. Ihre Blätter waren so dick und breit, dass man sich darauf stellen und auf und ab federn konnte wie auf einem Sprungbrett. Da …
    Halt. Ich sah etwas.
    Ich berührte Hun Xoc am Rücken und gab das Zeichen für »Halt«. Er berührte das Geblüt, das vor ihm ging, und der Befehl wanderte bis an die Spitze der Marschkolonne. Hier – in Mesoamerika, meine ich – kommt der Ranghöchste normalerweise ganz hinten. In dieser Situation brach das befehlshabende Geblüt – eben Hun Xoc – das Protokoll, indem er in der Nähe der Vorhut ging und mich hinter sich laufen ließ. Ach, übrigens, »Geblüt« ist wörtlich übertragen »Blut«, wie in »junges Blut« oder »nicht minder edles Blut«, wie König Philipp es formuliert hat, wenn ich mich nicht irre. Im Ixianischen bezeichnet das Wort den männlichen Angehörigen eines Großhauses im waffenfähigen Alter, ein Mitglied der herrschenden Klasse.
    Das Haltesignal verbreitete sich nun auch die Kolonne entlang nach hinten, über siebenundfünfzig Männer bis zum hintersten, dem letzten der vier Spurenverwischer. Ich signalisierte Hun Xoc, dass ich allein weitergehen würde. Widerstrebend wich er zur Seite und neigte den Kopf zum Zeichen der Bitte, ich möge vorsichtig sein. Die Geblüte der Vorhut schlossen sich um mich, doch ich drängte mich zwischen ihnen hindurch. Sahen sie denn nichts?
    Ich riss die Augen auf und spähte in die unnatürliche Dunkelheit.
    An der Kreuzung saß eine Gestalt, hundert Schritt vor uns. Ein Mann mit einer Zigarre. Er war wie aus dem Nichts erschienen, denn als ich vor ein paar Schlägen dorthin geblickt hatte – beim Marschieren entwickelt man einen Rhythmus, bei dem man auf die Füße schaut, dann um sich blickt, dann vor sich, dann wieder auf die Füße –, hatte ich den Mann nicht gesehen. Und auch keiner unserer Wegbereiter, sonst hätten wir einen Eulenschrei gehört.
    Ich drehte mich um und winkte dem sitz’ , dem vierzehn Jahre alten Jungen, der hinter mir ging. Sein vorläufiger Jungenname lautete Gürteltierschiss; er war mein k’ur chu’, mein »Fellator« – aber wenn wir feinsinnig sein wollen, kann ich ihn auch Knappe nennen. Wenn wir grob werden wollen, könnte ich ihn als meine Schlampe bezeichnen. Jedes Geblüt hatte wenigstens einen sitz’. Es war eine Art spartanisches erastés-erómenos -System. Ein k’ur chu’, der sämtliche Schikanen überlebte – das waren ungefähr vierzig Prozent –, wurde zum Schluss in die Kriegergemeinschaft aufgenommen, in diesem Fallin die Harpyien-Ball-Bruderschaft. Wie die jonokuchi bei den Sumo-Ringern taten sie alles für uns, einschließlich, na ja, Abwischen.
    Gürteltierschiss rannte zu mir und spie mir Trinkwasser in die Augen. Ich rieb mein Gesicht an seiner Manta trocken und schaute wieder zur Kreuzung. Die Gestalt war noch da. Der Mann trug eine lange, orange-schwarz gestreifte Manta und einen breitkrempigen Hut aus Stroh, wie fahrende Händler ihn trugen, einem Sombrero nicht unähnlich, der ihm das mit der Umgebung unvereinbare Aussehen eines europäischen Bauern aus dem 19. Jahrhundert verlieh.
    Ich ging alleine weiter. Der Gentleman rückte seinen Allerwertesten auf dem toten, zahnlosen Kugelkaktus zurecht, auf dem er saß, nahm einen tiefen Zug an der Zigarre – ein grüner Stumpen im Stil von Palenque, so dick wie eine Churchill – und musterte mich.
    Er kam mir bekannt vor.
    Ich wechselte in den unterwürfigen ixianischen Trippelschritt und blieb vier Schritt vor ihm stehen.
    Er ließ einen blauen Rauchkringel aufsteigen. Ich hockte mich hin und berührte den aschigen Boden. Er sprach nicht, also ergriff ich das Wort.
    »Salud, Caballero Maximón« , sagte ich; dann erst erinnerte ich mich, in welcher Zeit wir uns befanden, und grüßte ihn erneut mit seinem älteren Namen: »X’taca, halach ahau Mam.«
    Er antwortete auf Spanisch. »Hola, Cábron. Estás que Ch’olano gringo de San C. Du bist dieser zum Gringo gewordene Ch’olano aus San C.«
    Ich schnalzte zur Bejahung. Sein Spanisch war bäuerlich derb, aber erstaunlich gut für jemanden, der es, technisch gesehen, wahrscheinlich erst in zwölfhundert Jahren sprechen würde.
    »Están buenos Pirámides.«
    »¿Perdón?«, fragte ich. Ach ja, richtig, die Zigarren, die ich ihm in San Cristóbal Verapaz geopfert hatte. Im 21. Jahrhundert. »Ah, cierto. Claro, yo soy …«
    »Vielleicht

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