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202 - Unter schwarzer Flagge

202 - Unter schwarzer Flagge

Titel: 202 - Unter schwarzer Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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wenn ich wieder zu mir komme: Ich rede krauses Zeug.«
    »Und?«
    »Und sehe Lichter am Himmel. Grüne Lichter. Ich sehe auch die Spuren von Menschen, wenn… sie laufen oder sich schnell bewegen.« Yann schaute Matt von der Seite an. »Eilige Menschen hinterlassen… blaue Schlieren.«
    So wie er jetzt redete, wirkte Yann überhaupt nicht verrückt.
    Trotzdem wusste Matt nicht, was er von ihm halten sollte. Dass er kein Mönch war, wusste er nun; dass er die Kapuze trug, um seine Augen vor dem Licht zu schützen, war in einer Welt, in der noch niemand auf die Idee gekommen war, Sonnenbrillen neu zu erfinden, verständlich.
    Yann Haggard war ein angenehmer Zeitgenosse – und sein bärbeißiger Bruder musste auch einer sein, denn wer einen Kranken nicht im Stich ließ, war nicht herzlos.
    »Vielleicht sind das alles nur Halluzinationen, die das Ding verursacht.« Yann legte eine Hand auf sein weißes Auge. »Ich weiß es nicht. Aber manchmal, wenn meine Kopfschmerzen so schlimm sind, dass ich schreien könnte, male ich mir aus, dass es eine Gabe ist, die vielleicht irgendwann einen Menschen – oder gar die Welt – retten kann.« Er winkte Matt zu und tauchte in der Finsternis unter.
    ***
    Matthew, von nun an in den Nächten aktiv, verschlief auch den größten Teil des zweiten, dritten und vierten Reisetages. Von dem Blondzopf fand er keine Spur und kam allmählich zu dem Schluss, dass sie umgekehrt und wieder an Land geschwommen sein musste.
    In der fünften Nacht hörte er vom Smutje, dass das nerlandische Wort Schelm im Englischen Crook bedeutete. Je mehr Besatzungsmitglieder Matt kennen lernte, umso mehr verdichtete sich sein Eindruck, dass Haggard tatsächlich ein Pirat war.
    Leute wie Slodder passten auf diesen Kahn. Doch nicht nur Slodder und Genossen machten einen verkommenen Eindruck.
    Abgesehen von den Offizieren, die aus dem zerlumpten Heer hervorstachen, wirkte seine Crew, als interessiere sie sich nur fürs Fressen, Saufen, Stoßen und Raufen.
    Wenn die Kerle abends in der Runde saßen und zotige Lieder sangen, verzog Chira sich jedes Mal an Deck. Am fünften Abend, als der Gesang nicht mehr zu ertragen war, schloss Matt sich der Lupa an.
    In dieser Nacht verbarg der Mond sein Gesicht; es war stockdunkel. Nur schemenhaft und anhand der dort glänzenden Lichter konnte man steuerbords eine kleine Inselkette ausmachen, an der die Schelm gerade vorbei fuhr.
    Auf dem Weg zum nächsten Niedergang hatte Matt eine Idee. Er zog das Halstuch aus der Tasche, das der Blondzopf in jener Nacht in Alunga verloren hatte, und hielt es Chira unter die Nase. »Such!«
    Die Lupa nahm Witterung auf und lief los. Sie führte Matt auf die Poop. Auf beiden Seiten des Schiffs hingen mit Planen abgedeckte Beiboote. Vor dem an der Backbordseite blieb Chira hechelnd stehen.
    Matt hob vorsichtig die Plane an und lugte hinein. Im nächsten Moment schoss eine kleine Faust aus dem Dunkel hervor und erwischte ihn an der Schläfe. Matt sah Sterne.
    Weitere Schläge folgten, und er griff blindlings zu, erwischte zwei dünne Arme und hielt sie fest. Er rang mit der Angreiferin, die einfach nicht einsehen wollte, dass er ihr kräftemäßig überlegen war.
    »Ich hab die Schnauze jetzt voll«, zischte Matt schließlich.
    »Wenn du dich nicht abkühlst, verpasse ich dir eine und liefere dich dem Käpt’n aus!«
    Die junge Frau fauchte und versuchte ihn zu treten, was in ihrer Körperhaltung und über den Rand des Beiboots aber nicht möglich war. Schließlich spürte Matthew, dass ihr Widerstand erlahmte und ihre Muskeln erschlafften.
    »Schon besser«, keuchte er. »Ich heiße Matt. Wie heißt du?«
    »Keetje«, piepste seine Gefangene.
    »Okay, Keetje – ich will dir nichts Böses, und mir liegt auch nicht daran, dass der Käpt’n dich über Bord wirft. Ich will mich nur mit dir unterhalten. Deshalb klettere ich jetzt in das Boot, und du verhältst dich friedlich, verstanden?«
    Der Blondzopf grummelte etwas Unverständliches, griff Matt aber nicht an, als der sich über den Rand des Bootes zog und die Plane hinter sich wieder schloss. Er nahm vor der hinteren Ruderbank Platz. Wenn man den Kopf etwas einzog, konnte man bequem sitzen.
    »Was machst du hier, Keetje?«, fragte er dann. »Weißt du denn nicht, dass der Skipper dich den Fischen vorwirft, wenn man dich erwischt?«
    »Ist mir egal!« Keetje klang so rotzig wie trotzig, aber eigentlich auch ganz schön verzweifelt.
    »Wie alt bist du?«
    »Fünfzehn.«
    »Und wo kommst du

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