202 - Unter schwarzer Flagge
Kisten, damit man sie, falls jemand nach unten kam, nicht sofort sah.
»Wie hast du es zurück an Bord geschafft?«, fragte er.
»Kein Mensch kann so schnell rudern!«
»Na ja…«, druckste Keetje herum. »Als du weg warst, um mir Wasser zu holen, hab ich ein Seil mit einer Boje am Heck angebunden und ins Wasser geworfen. Ich musste also nur rechtzeitig vom Dingi springen, um die Boje zu erwischen. Dann hab ich mich zurück an Bord gehangelt.«
»Du hast Glück gehabt, dass dich nicht die Haie gefressen haben, oder sonst irgendein Viehzeug.« Matt drückte auf Keetjes Schulter. »Setz dich hin.« Zu seinem Erstaunen gab sie nach.
»Ich habe Durst. Und Hunger. Wenn du mir was bringst, verrate ich dir interessante Neuigkeiten!«
Am liebsten hätte Matt sie übers Knie gelegt. »Was sollen das für interessante Neuigkeiten sein? Wieso glaubst du, dass die mich interessieren?«
»Wenn du mich nicht anschwärzt«, sagte Keetje plötzlich ganz brav, »erzähl ich sie dir auch, bevor du mir was zu futtern und zu trinken besorgt hast.«
Matt seufzte. »Also raus da-« Irgendwo in der Umgebung knarzte Holz. Matt legte eine Hand auf Keetjes Mund und schob sie weiter hinter die Kisten.
Sie warteten eine Minute. Matt lauschte seinem pochenden Herzschlag und den Schritten, die sich zuerst näherten und dann verharrten, als wisse der Unsichtbare nicht genau, wo er sich befand.
Dann entfernten sich die Schritte wieder. Matt atmete auf, und Keetje hauchte: »Wer war das?«
»Pssst!« Matt spitzte die Ohren. Vermutlich befand sich der Unbekannte auf der Suche nach Master Haggards Spirituosenlager. Er nahm sich vor, es später zu inspizieren.
Vorher musste er allerdings für den bezopften Satansbraten ein sicheres Versteck finden. Keetje musste bis zu ihrer Ankunft in Madagaskar irgendwie verpflegt werden. Ohne Rulfan würde das nicht zu machen sein. Wenn Keetje Haggard über den Weg lief, war sie verloren; wenn bestimmte Seeleute sie aufspürten, drohte ihr ein noch schlimmeres Schicksal.
Als Matt sicher war, dass die Schnapsdrossel weg war, nahm er Keetje an die Hand und führte sie in den Bordkarzer.
Momentan saß niemand ein, was günstig war. Da niemand Lust hatte, diesen Raum freiwillig zu betreten, war ein blinder Passagier dort gut aufgehoben.
Matt wies Keetje an, hier zu warten, bis er alles besorgt hatte, was sie benötige.
Eine Stunde später – unter Deck waren nur das leise Säuseln des Windes und das Knarren der Takelage zu hören – kehrte er zu ihr zurück. Keetje aß und trank. »Bist ‘n echter Kumpel, Matt«, quetschte sie zwischen zwei Bissen hervor.
Er setzte sich neben sie auf die Pritsche. »Du hast von interessanten Neuigkeiten gesprochen. Dann pack mal aus.«
Silberheller Mondschein fiel durch das Bullauge und erhellte Keetjes Gesicht. Sie setzte ein schelmisches Lächeln auf und sagte: »Ich war beim Käpt’n.«
Matt zuckte zusammen. »Was?!«
»In seiner Kajüte, mein ich.« Sie kicherte. »Es war gestern Nacht. Ich hab mich ein bisschen in seinen Räumen umgesehen. Ich hatte Hunger und Durst und dachte, wo er doch so ‘ne Wampe hat, liegt in seiner Kabine bestimmt was zu beißen rum.« Sie blickte Matt treuherzig an. »Bevor ich aber was fand, hörte ich Schritte vor der Tür. Da hab ich mich in einer Truhe versteckt.«
»Sag mal, bist du wahnsinnig?« Matt war versucht, sich die Haare zu raufen. »Bist du dir eigentlich darüber im Klaren, was diese Leute mit dir machen, wenn sie dich erwischen?«
»Dazu müssten diese Blödiane mich aber erst mal kriegen« , erwiderte Keetje patzig. »Willst du nun wissen, was ich gehört hab, als ich in der Truhe lag?«
»Ja«, sagte Matt. »Ich hoffe, du hast nicht gehört, dass die Schelm in die Antarktis unterwegs ist…«
»Tarktis? Was soll das sein?«
»Ist doch egal. Weiter!«
Keetje kicherte. »Also, der Master kam rein – und der Erste Offizier, der große Blonde. Vanduyn. Sie haben über Kukumotz und die Welt gesprochen. Und über den angeblichen Deserteur Ewijk…«
Matt zog die Brauen zusammen. »So, wie du angeblich sagst, klingt es, als wüsstest du, dass er nicht desertiert ist.«
»Ist er auch nicht.« Keetje nickte. »Er ist zwar über Bord gegangen, aber nicht aus freien Stücken.« Sie räusperte sich.
»Zwei Typen haben ihn besinnungslos an die Reling getragen und runter geworfen.« Sie klang betroffen, was Matt erstaunte: Mitleid hatte er eigentlich nicht von ihr erwartet.
»Du hast es gesehen?«
»Ich stand
Weitere Kostenlose Bücher