2030 - Chimaerenblut
Corvette. Ben – endlich! Mittlerweile ging ihr Atem in kurzen Zügen und die Hände flatterten.
Kurz darauf setzte Ben sich neben Josi auf einen Stuhl und nahm ihre Hände in seine. Er drückte sie fest.
»Gute Nachrichten.«
Josi schluchzte auf.
»Der Professor ist sich ziemlich sicher. Deine Immunabwehr arbeitet auf Hochtouren. Proteasen in deinem Blut zeigen an, dass die Abwehr funktioniert. Die Zellwände der Viren in deinem Körper lösen sich auf. Das unbekannte Virus kann keinen weiteren Schaden anrichten.«
Tränen der Erleichterung flossen über ihre Wangen.
Ben hob die Hand, hielt inne und fuhr seine Krallen ein. Sanft streichelte er über ihre Wange. »Es ist vorbei.«
Dann erhob er sich, ging zum Kühlschrank und murmelte etwas von einer langen Nacht, die er hinter sich hatte. Ohne abzusetzen trank er einen Liter Milch aus der Tüte, wischte sich mit dem Handrücken den Milchbart ab und schlurfte aus der Küche. Yu stand wortlos auf und folgte ihm.
»Das sind doch mal gute Nachrichten«, sagte Constantin.
Lars erschien in der Tür. »Ich habe schlechte Nachrichten. Ich kriege den DNA- Sequenzierer nicht mehr repariert. Ich habe jetzt die ganze Nacht durchgemacht, aber es funzt immer noch nicht richtig. Das Gerät ist zu altersschwach. Selbst wenn die Kiste arbeitet, können wir uns auf die Ergebnisse nicht verlassen. Wenn wir nicht Blindekuh mit den Viren spielen wollen, die momentan über die Welt rollen, dann muss ein neues Gerät her.«
»Das habe ich befürchtet«, sagte Constantin.
»Und nun?« Lars schenkte sich Kaffee ein.
»Ich werde ein neues Gerät bestellen. Diesmal müssen wir allerdings sehr vorsichtig sein. Nachdem sich die Nachricht von Leon als Fake herausgestellt hat, ist definitiv klar, dass jemand nicht nur Leon, sondern auch Josi sucht.«
Constantin blickte Josi an. »Wir können nur hoffen, dass Leon rechtzeitig untergetaucht ist und sie nur deshalb dich suchen. Als Triple-Chimäre könntest du für einige Leute interessant sein. Sie wissen ja nicht, dass in deinem Blut nichts mehr ist, außer Antikörper.«
Sie nickte.
Constantin erhob sich. »Dann geh ich mal Geld ausgeben.« Lars folgte ihm mit der Kaffeetasse in der Hand.
Yu kam zurück. Sie schüttelte eine Flasche mit silbernem Nagellack und hockte sich vor Josis Fischschwanz.
»Darf ich mal?«
»Was willst du machen? Die Schuppen anpinseln?«
»Warum nicht?«
»Es sind schon ein paar mehr, als nur zehn Fingernägel – und zehn Fußnägel.«
Yu drehte den Verschluss auf. »Sieht aber bestimmt cool aus.« Sie war gerade mit der letzten Schuppe fertig, da erschien Constantin in der Tür.
Er machte ein finsteres Gesicht. »Ich brauch dich. Sofort!«
Lars setzte sich zu Josi an den Tisch und verklebte die letzten Nähte ihres neuen Neoprenkleids.
»Lars, was ist los?«
»Nichts.«
»Ich sehe es dir doch an, also bitte, sag mir, was los ist.«
»Jemand verarscht uns.« Er rieb sich die Nase.
»Könntest du bitte etwas genauer werden.«
»Fertig, du kannst das Kleid anprobieren.«
»Lars, ich will jetzt nichts anprobieren. Ich schwimme am liebsten im Shirt, und das Wasser hier hat die Temperatur einer Badewanne.«
»Wenn du mehrere Stunden im Wasser bist, kühlst du trotzdem aus…«
»Was willst du mir damit sagen?«
»Nichts.« Lars starrte zur Decke.
»Lars. Ich probiere das Teil an, aber du sagst mir endlich was los ist. Einverstanden?«
»Rede mit Constantin!«
83
Dienstag, 11. Juni, abends, Dubai:
Josi wusste inzwischen, wo sie gestrandet war.
FlashAC !
Es war so offensichtlich gewesen. Die Wahrheit lag die ganze Zeit direkt vor ihrer Nase, und doch hatte sie es nicht sehen wollen. Sie befand sich auf dem Boot der weltweit am meisten gesuchten Aktivistengruppe, und sie hatten die Viren-Mafia auf den Fersen. Constantin war der Mann, um den sich viele Gerüchte rankten – sogar romantische. Auch sie selbst hatte von ihm geschwärmt und versucht, sich sein Gesicht vorzustellen.
Ein innerer Wegweiser hatte sie zielsicher auf dieses Boot gebracht. Es war ihr, als hätte eine magische Kraft sie ihrer Bestimmung zugeführt. Alles machte jetzt einen Sinn. Die Jahre als Aktivistin und die Zeit in Leons Gruppe. Selbst ihr Wandel zur Fisch-Chimäre. Sie fragte sich, ob alles im Leben Schicksal war oder ob man selbst eine Wahl hatte.
Und jetzt schien sie sein Schicksal zu sein: Constantin brauchte ihre Hilfe. Seine Konten waren leer. Der millionenschwere Aktivist kam im entscheidenden
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