2030 - Chimaerenblut
mit der Polizei aneinander gerasselt bist? Oder willst du Anwalt der Tiere werden? Dazu musst du aber erst im Lotto gewinnen, weil… die Viecher bezahlen so schlecht. Die sind wie ich – immer klamm.«
»Ich mag‘s nicht, wenn du so redest. Mein Vater wird mich unterstützen, und letztendlich auch dich. Wir halten immer zusammen. Du weißt doch, wie froh ich bin, dass du mitgekommen bist.«
»Dein Dad wird dich und mich unterstützen? Lieber nicht. Er ist der Grund für diese blöde Situation. Und ich habe einen Job!«
Josi schwieg. Ja, Kathi hatte in nur einem Tag über das SWeb einen Job in der Schneiderei von Cats and Dogs ergattert, doch das Gehalt lag kaum oberhalb eines Almosens. Trotzdem war es erstaunlich, irgendwie fiel sie immer auf die Füße, wie eine richtige Katze.
Kathi starrte der Stewardess hinterher und wechselte plötzlich das Thema. »Hast du dich mal umgesehen? Keine einzige Chimäre haben sie beschäftigt. Jeder zweite Jugendliche ist eine Chimäre. Doch welche Jobs bleiben für uns?«, fragte sie so laut, dass sich zwei ältere Passagiere aus der Reihe vor ihr umdrehten. Kathi zeigte ihre Krallen, und das Paar drehte sich eilig zurück.
Josi wollte widersprechen, man könne von zwei Stewardessen nicht auf die Personalpolitik der Fluggesellschaft schließen und nicht jedem sähe man die Chimäre an, aber dann hätte sie eine noch lautere Diskussion mit ihrer Freundin provoziert. Denn im Grunde hatte Kathi recht mit ihrer Kritik. Chimären galten als krankheitsanfällige und schwierig zu integrierende Arbeitskräfte. Und vor allem galten sie als dumm, obwohl die Veränderung zum Tier selten das Gehirn betraf. Die Blut-Hirn-Schranke hatte die Viren abgehalten. Waren trotzdem Viren durch die Barriere gedrungen, dann fiel der Erkrankte meist ins Koma und starb.
»Vielleicht sollte ich nach New York gehen – irgendwann«, sagte Kathi und strich über die schräg verlaufenden Nähte ihres Zipfel-Minikleids aus schwarzem Lack und grauem Kunstfell. Ihre Pupillen verengten sich zu einem senkrechten Schlitz.
Der Mann am Mittelgang spähte interessiert zu ihr rüber. Offensichtlich stand er auf Katzenfrauen mit Hang zur Selbstdarstellung, hautenger Kleidung und schlechter Laune, dachte Josi.
Wenig später war Josi unter dem monotonen Brummen der Triebwerke eingeschlafen und erwachte erst wieder, als sie fast am Ziel waren.
Sie holte aus ihrer Tasche zwei Käse-Baguettes und reichte eines Kathi, die sich katzenlang streckte und dabei gähnte. Kathi biss einmal ab, verpackte den Rest, drehte sich zu ihrem Sitznachbarn am Mittelgang und plauderte mit ihm. Josi verstand kein Wort von der Unterhaltung, sah aber, dass er Kathis Arm tätschelte. Augenfällig waren sich die beiden näher gekommen. Kurz vor der Landung steckte er ihr eine goldfarbene Visitenkarte zu. Falls sie mal nach New York käme…
Josi war der Typ unsympathisch. Sie musste unbedingt verhindern, dass Kathi wieder mit New York anfing. Die Stadt galt zwar als Hochburg der Chimären, war aber nur geeignet für Fashion-Designer, Top-Models und Künstler mit Starallüren. Josi jedoch war Aktivistin. Ihre Vorbilder waren die neue Jamy Lee Bond und Cat-Woman . Besonders bewunderte sie die geheime Nachrichten-Aktivistengruppe FlashAC , von der niemand wusste, wer sich hinter den Initialen AC verbarg.
Vielleicht gäbe es später eine Möglichkeit, die Visitenkarte von dem schleimigen New Yorker unauffällig verschwinden zu lassen, hoffte sie.
12
Donnerstag, 9. Mai, nachmittags, Chicago:
Josi eilte durch die Flughafenhalle. »Wenn du mich fragst, ich fand den Typ merkwürdig.«
»Sieh mich an!«, Kathi wies mit der Kralle ihres Zeigefingers auf ihre dreieckige Stupsnase, »mich finden auch eine Menge Leute merkwürdig.«
Josi beschleunigte den Schritt. »Wenn der Mann so eine riesige Boutiquenkette in New York hat, warum sollte er sich für eine unbekannte Chimäre interessieren.«
»Weil ich Talent habe?«
Josi rollte mit den Augen. Bist du blind, das ist ein Zuhälter.
»Begabt bist du sicherlich, aber unbekannt. Warum sollte er sich so sehr für deine Schnitte interessieren? Wir wissen doch beide, in diesem Geschäft zählen vor allem Beziehungen zu den großen Modehäusern. Namen! Wie überall, wenn es um viel Geld geht.«
Kathi drehte die Hüfte in Modelpose. »Mein selbstentworfenes Mini hat ihn begeistert. Vor allem die schräg eingesetzten Klickhaken, die ich aus Ohrringen umgebaut habe. Meine beste Idee. Er hat
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