2030 - Chimaerenblut
verfluchte Impfung.
Das Virosom – oder was auch immer dadurch entstanden war – widersetzte sich, indem es sich versteckte, anstatt sich aufzulösen. Es verhöhnte die Menschen jenseits aller Vorstellungen bisheriger Evolutionsgeschichte.
»Sie ist vermutlich ertrunken, die Kiemen sehen mir nicht so aus, als seien sie funktionstüchtig.« Der Arzt sprach mit Josis Vater. »Genaueres weiß ich aber erst nach einer Obduktion…«
»…die Sie sicher nicht machen werden, da Sie ja in Tokio leben.«
»Ich werde an die Charité Berlin wechseln, ich habe die Villa meiner Eltern am Wannsee geerbt.« Der Arzt strich dem Mädchen das nasse Haar aus dem Gesicht, ordnete es neben ihre Schultern und über den nackten Oberkörper. »Arme Kleine«, murmelte er.
»Sie ist doch nur ein Fisch«, schimpfte ein Mann mit kurzgeschorenem Haar, Stiernacken und Springerstiefeln. Er baute sich vor dem Arzt auf.
Antall erhob sich. »Wie können Sie so reden? Sie ist ein Mensch – fast noch ein Kind. Und jetzt gehen sie mir aus dem Licht.«
Unbeeindruckt von den Worten des Arztes ballte der Fremde die Fäuste. »Sie sollten sich lieber um die Lebenden kümmern, als um tote Fische!«
»Ruhig Blut!« Antall hob beschwichtigend die Hände.
Josis Vater stellte sich neben ihn, die Fäuste geballt.
Der Fremde sah sich nach Gleichgesinnten um, doch die gaffende Menge senkte die Köpfe und starrte auf die Tote. Schließlich steckte er die Hände in die Hosentaschen.
»Ach was geht mich der Scheiß hier an. Scheiß Chimären! Kosten uns Millionen. Wer schenkt uns etwas?«, grollte der Mann provozierend und ging.
Der süßlich- fischige Geruch des verwesenden Körpers nahm Josi den Atem. Plötzlich erinnerte sie sich an ein altes Märchen von einer Meerjungfrau, die zu Schaum auf dem Wasser wurde, weil sie die Liebe des Prinzen nicht erringen konnte.
Josi lief zum Wasser und ließ sich zitternd auf die Knie fallen. Das Meer schwappte gurgelnd und schäumend über ihre Hose. Voller Zweifel blickte Josi aufs düstere Meer hinaus. In der Ferne zogen Regenwolken auf .
Ich habe die Fisch-Gene auch in mir – nie werde ich Leons Herz erobern.
10
Nachmittags, Berlin (Mitte):
Am Morgen hatte Leon seinen Bericht abgegeben, um 13 Uhr hatte der Sonderermittler Ole Baum angerufen. »Termin beim Polizeichef. 15 Uhr. Sieh zu, dass du pünktlich bist. Noch ein Tipp unter Freunden, erzähl nur das Nötigste, nichts was dich selbst belasten könnte.«
Leon fragte sich, wie er das machen sollte, er war schließlich bei Wilmershofen eingebrochen. In seinem Bericht hatte er dieses Detail natürlich ausgelassen. Wenn der Polizeichef ihn dazu befragte, müsste er behaupten, die Tür war schon offen gewesen. Nein, auch Josi war da nicht eingebrochen. Vermutlich hatte der Wachmann die Tür offen gelassen. Und das Loch im Zaun? Im Geiste formulierte er seine Antwort. Keine Ahnung wie das da reingekommen ist. Es geht doch hier nicht um einen Einbruch… Oder?
»Kommen Sie rein junger Mann, setzen Sie sich.«
Der Polizeichef, ein großer, grauhaariger Mann im dunkelblauen Anzug, empfing Leon mit einem kräftigen Händedruck. Er schloss die Tür und setzte sich an den Schreibtisch. Dann musterte er Leon eine Weile, wohl um sich zu vergewissern, wie ehrlich sein Informant war. Leon hielt dem Blick stand, indem er ihm auf die Nasenwurzel schaute.
Der Polizeichef räusperte sich. »Ich habe Ihren Bericht gelesen. Wir möchten das nicht weiter hochkochen, zumal Sie nichts Belastendes gefunden haben. Beweise können Sie ja auch nicht liefern. Und Ihre Aussagen zur Missachtung der Tierschutzbedingungen sind allenfalls ein Bußgeld wert, also nichts was einen Einbruch rechtfertigen würde. Sie sind doch eingebrochen oder?«
»Eh… nein, das ist ein Irrtum.«
»Lassen wir das mal so stehen.« Der Polizeichef blickte kurz in seine Unterlagen. »Also junger Rebell…«
»Blanc! Leon Blanc.«
»Gut Herr Blanc, es geht um den Brand. Das Alibi dieser Josefine Garden wurde von ihrer Mutter bestätigt. Wenn Sie nicht selbst in Verdacht geraten wollen, und das wollen Sie doch sicher nicht, dann sollten Sie dafür sorgen, dass ihre Aktivistenfreunde möglichst nicht wieder in Erscheinung treten, und Sie selbstverständlich auch nicht. Wenn jemand auf frischer Tat erwischt wird, dann können wir als Polizei kein Auge zudrücken. Das verstehen Sie doch, Herr Blanc. Dann ist das aktenkundig.«
»Auf diese Art der Zusammenarbeit kann ich künftig gut und gerne
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