2030 - Chimaerenblut
Josi Ethan noch brauchte, riss sie sich zusammen. Er scrollte weiter. Sie fanden heraus, dass der gesuchte Kerl Verbindungen zur Callgirl-Szene in Vegas hatte und bereits wegen Zuhälterei verknackt worden war. Außerdem war er Teilhaber eines Chimären-Clubs in Pahrump .
»Fällt nicht schwer zu raten, was für ein Club das ist«, kommentierte Ethan.
»Wie weit liegt das auseinander?«
»Keine Ahnung. Vielleicht fünfzig Meilen.«
»Und wenn wir zuerst in Vegas suchen, da wo er seine Geschäfte macht; unangemeldet … und dann Kathi mitnehmen … wir haben doch einen Bodyguard dabei«, bettelte Josi. Sie hätte bereits seit gestern da sein können – die Erkenntnis trieb ihr die Tränen in die Augen.
Am Tisch herrschte Schweigen. Ethan lenkte ein. »Lass mich drüber schlafen! Ja? Honey.«
Cindy zog die Mundwinkel ein. Sie hatte endlich begriffen, warum sie bei Ethan nicht landen konnte.
Der surfte derweil weiter zu den Polizeiberichten von Pahrump . Als Josi einen Blick darauf werfen wollte, schaltete er die Seite ab. Josi hatte einen kurzen Blick auf die Schlagzeile erhascht. Die Polizei suchte einen Massenmörder, eine Bulldoggen-Chimäre.
»Versprichst du mir ernsthaft darüber nachzudenken, Kathi aus Vegas rauszuholen?«, hauchte Josi.
Ethan sah zum Bodyguard, der an einer Säule lehnte und die Umgebung im Raum unauffällig im Visier behielt.
»Versprochen!«
Josi atmete tief durch. »Danke.«
Sie erhob sich und sah sich suchend um. Der Bodyguard nickte ihr zu und gab ihr ein Zeichen mit der Hand. Sie folgte der angewiesenen Richtung und ging in den Gang zu den Toiletten. Das Licht war hier rötlich gedämpft. Eine Treppe führte in den Keller, eine angelehnte Tür an der Küche vorbei. Sie brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Am Ende des Ganges sah sie schließlich die Tür, die sie suchte. Ein Bild mit einem Damenschuh prangte in der Mitte. Nur noch wenige Schritte. Als sie die Klinke berührte, drückte sich plötzlich von hinten ein kräftiger Arm um ihren Hals.
»Nicht umdrehen«, zischte eine Männerstimme. »Wir wollen euch lebendig.«
Im Rücken spürte Josi den Lauf einer Waffe. Bevor sie begriff, was der Mann von ihr wollte, war der Bodyguard bei ihnen.
»Finger weg!«, herrschte er den Mann an und versuchte ihn von Josi wegzureißen.
So plötzlich wie der fremde Mann aufgetaucht war, so plötzlich knallten zwei Schüsse durch den Gang. Bodyguard und Angreifer sackten zu Boden. Josi rutschte zitternd an der Wand entlang und schrie. Sie starrte auf die Blutlachen, die sich auf den weißen Kacheln vergrößerten und schlug die Hände vors Gesicht.
Das nächste, was sie wenig später sah, war Ethans blasses Gesicht. Er beugte sich über den Bodyguard und schüttelte den Kopf. Blut sickerte aus einem Loch am Haarscheitel. Ein Mann mit hochgekrempelten Hemdärmeln schob Ethan beiseite, er machte Mund-zu-Mund-Beatmung, massierte das Herz, blies erneut Luft in die Lungen, fühlte den Puls…
Irgendwo schrillten Sirenen. Immer mehr Schaulustige quetschten sich in den engen Gang.
Ein Arzt, der zufällig unter den Gästen war, stellte den Tod der Männer fest. Die Polizei kam nach zwanzig Minuten und berichtete von zwei weiteren Überfällen auf Chimären-Kneipen. Zitternd und unter erneuten Weinkrämpfen erklärte Josi, man wollte sie entführen. Sie und Ethan. Sie wiederholte die Worte des Mannes. »Wir wollen euch lebendig, hat er gesagt.«
Ethan nahm sie in die Arme und flüsterte. »Es ist vorbei. Du bist jetzt in Sicherheit.«
41
Sonntag, 26. Mai, Berlin-Dahlem:
Es nieselte seit Stunden. Der Boden in der Gartenlaube war matschig. Selbst in der Ecke, in der Leon seinen Schlafsack auf ein paar Brettern ausgerollt hatte, war der Boden klamm. Schlecht gelaunt erhob er sich von seinem unbequemen Nachtlager und streckte seinen schmerzenden Rücken.
Heute würde er mit Ole Baum reden und seine Unterschrift unter die Aussage setzen. Doch Nola hatte ihm mit ihrer Nörgelei die Stimmung vermiest. Konnte er dem Ermittler trauen? Was, wenn es eine Falle war?
Wilmershofen muss mit der Viren-Mafia zusammengearbeitet haben. Ich bin der Beweis. Wo sonst hätte ich mich anstecken können?, hörte er sich bereits gegenüber Ole Baum sagen. Warum sollte ich jemand töten, der selbst nur ein kleines Licht ist? Ich will die Auftraggeber. In diesen Kreisen finden Sie auch den wahren Mörder.
Er zog den letzten Müsliriegel aus einer Seitentasche seines Rucksacks und riss die Verpackung
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