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2030 - Chimaerenblut

2030 - Chimaerenblut

Titel: 2030 - Chimaerenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Twin , Mo Twin
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auf. Während er kaute, gingen ihm weitere Fragen durch den Kopf. Was ist mit Warschau? Wird die Polizei dort ermitteln? Wird sie die nötigen Beweise finden? Macht sie diesmal ihre Arbeit? Sollte er nicht lieber doch gleich mit Kevin…?
    Grübelnd ging er auf der aufgeweichten Erde der Hütte hin und her. Jemand hatte die Bodenbretter herausgerissen und zu Feuerholz verarbeitet. Die Reste des Lagerfeuers rochen noch immer brenzlig. Am liebsten hätte er jetzt selbst die Fenster oder Türen verbrannt, um es ein wenig wärmer zu bekommen. Es dämmerte gerade erst. Die Leute in der Kolonie schliefen noch. Er sehnte sich nach seiner trockenen, warmen Wohnung, nach einer heißen Dusche, nach einem bequemen Bett. Von wegen Pferde-Chimäre, dachte er und zog die Mundwinkel nach unten. Mit der rechten Hand fuhr er sich über den Bart, der ihm in der letzten Woche gewachsen war und wünschte sich ein wärmendes Fell.
    Plötzlich wusste er, was er zu tun hatte. Er verschnürte den Rucksack, versteckte ihn unter dem Bretterstapel und griff nach seinem Bike. Dann verließ er die Anlage über den Hinterausgang, vorbei an den dornigen Hecken und dem brüchigen Zaun. Das Gras war feucht vom Regen und durchnässte seine Hosenbeine. Ein Hund bellte. Es gab einen Kiosk in der Nähe, der um sieben öffnete. Dort trank er einen heißen Kaffee. Dann fuhr er zum Luisenstadt-Friedhof.

     
    Er lächelte, als er die alte Frau sah, die mit den Augen ganz nah an die Beschriftung ging und trotzdem nicht lesen konnte was dort stand. Plötzlich fühlte sich alles wieder so normal an. Vielleicht war sein Leben doch nicht aus den Fugen geraten. Vielleicht käme heute alles wieder in Ordnung. Ja vielleicht.
    »Sie möchten zur 142. Ihr Mann liegt dort, nicht wahr«, sagte er.
    Sie lächelte. »Da sind Sie ja wieder.«
    Er lehnte sein Bike an die Mauer und führte die alte Frau drei Reihen weiter. »Hier ist es.«
    »Sie besuchen Ihre Schwester?«
    Er nickte.
    »Wissen Sie, junger Mann. Ich wurde im Juli 1937 geboren. Zwei Jahre vor Kriegsausbruch. Meine Eltern und meine Verwandten starben im Konzentrationslager Buchenwald . Lernen Sie das noch in der Schule?« Sie blickte ihm forschend in die Augen, als wollte sie die Antwort aus seinem Gesicht ablesen. »Später gab es viele Menschen, die Hitler an allem die Schuld geben wollten. Aber so war es nicht.«
    »Was möchten Sie mir sagen?«
    »Junger Mann. Vertrauen Sie nie den Systemen, die ihnen das Denken abnehmen. Denken Sie selbst nach.«
    »Natürlich. Einen schönen Sonntag noch.«
    Er nahm sein Bike und schob es um die Ecke. Heute waren die Dinge anders. Es gab freie Wahlen und Demokratie. Er war sich sicher, der Kanzler würde abgewählt, nachdem er die Chimären im Stich gelassen hatte. Wenn die Prognosen stimmten, dann wäre die Wahlbeteiligung im Herbst so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. Nicht mal vor fünf Jahren war sie so hoch gewesen, als die Regierungskrise nach der Großen Influenza zu vorgezogenen Neuwahlen geführt hatte. Damals war nur jeder Zweite wählen gegangen, doch jetzt lagen die Hochrechnungen bei achtzig Prozent. In fast jeder Familie gab es Chimären. Die neue Chimären-Partei würde mit Sicherheit auf Anhieb in den Bundestag einziehen, und dann würden Chimären nicht mehr ausgegrenzt. Dann bekämen sie endlich die ihnen zustehenden Medikamente und Hilfen. Geld war immer genug da. Es musste nur fair verteilt werden. Leon schüttelte den Kopf. Die alte Dame hatte sicher Schreckliches erlebt, aber so etwas wie im Zweiten Weltkrieg würde nicht wieder passieren.
    Er ging an das Grab seiner Eltern und seiner Schwester, zog eine Münze aus der Hosentasche und drehte sie auf dem weißen Marmorstein. So hatte er es immer gemacht, wenn er und seine Schwester sich nicht einig waren, wer den Müll rausbringen sollte. Kopf bedeutete, dass sie ging. Heute ging es um den Wilmershofen -Dreck. Zahl hieß, er ginge selbst zu Ole Baum. Die Münze drehte sich, wurde langsamer, trudelte und plumpste mit leisem Klack auf die Eins.
    Dann also heute zu Baum , dachte er. So hatte er es ja auch längst entschieden, wenn ihn nicht Nola mit ihren Fragen verunsichert hätte. Die Polizei war schließlich nicht die Mafia. Egal wie dämlich ihm der Polizeichef gekommen war. Die hatten Spurensicherungen, die seine Unschuld sicher längst bestätigen konnten. Er war schließlich weder am Tatort gewesen noch der Mörder von Wilmershofen .
    Gegen neun Uhr war er wieder in der Gartenkolonie und brachte

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