2030 - Chimaerenblut
Hammer in eine Metallkiste.
»Aber an denen war doch nichts dran. Die waren doch nur Knochen und Federn. Ihr hättet sie wenigstens vorher mästen sollen. Gras wächst hier ja genug.« Leon schlug Tom auf die Schulter und fühlte seine dünnen Schulterblätter. Die Obdachlosen hier in der Kolonie haben sicher oft gehungert, ging es ihm durch den Kopf. Natürlich haben sie die Hühner geschlachtet.
»Danke. Du bist in Ordnung, Leon. Sollen wir uns morgen deine Hütte vornehmen? Das Dach müsste neu gedeckt werden…«
»Nein, das lohnt nicht mehr. Ich hau hier sowieso wieder ab, sobald das mit Wilmershofen geklärt ist.«
»Du glaubst an Wunder.« Nola schüttelte den Kopf.
»Nein. Aber was sollten sie davon haben, den falschen einzubuchten? Die Polizei ist an der Wahrheit genauso interessiert wie ich.«
39
Samstag, 25. Mai, Nye County ( Pahrump ):
Staub lag wie Unheil in der Luft. Die Sonne brannte, und nur der Fahrtwind linderte die unerträgliche Hitze. Im Straßengraben sonnte sich eine Klapperschlange. Als der Pickup mit dröhnendem Radio vorbei fuhr, zog die Viper sich unters Gebüsch zurück.
»Die Rebellen haben damit gedroht, ein unbekanntes Virus freizulassen. Sollte sich die Regierung nicht verhandlungsbereit erklären, dann…«, sagte der Radiosprecher. Olson Grame schaltete weiter, bis er den Country Sender gefunden hatte, und beschleunigte seinen Pickup.
Zwanzig Meilen Highway hatte er bereits hinter sich, als er am Schild »Las Vegas – 50 Miles« in südwestlicher Richtung abbog und der Eisenbahnlinie Richtung Pahrump folgte. Olson Grame tankte und trank einen Kaffee. Eine Stunde später befand er sich auf der staubigen Straße, die das alte Pahrump mit Newstone-Pahrump verband. Er fuhr an einer Ansammlung trostloser Häuser vorbei, denen man bereits von weitem ansah, dass sie billig aus dem Boden gestampft und mit Leuchtreklamen und blinkenden Lichtern aufgemotzt waren.
»Nachrichten! Die Rebellen haben ihre Drohung …«
Olson Grame schaltete das Radio ab. Die alljährlichen Virenwarnungen nervten schon genug. Nur ungern erinnerte er sich, wie er vor sieben Jahren beinahe an der Großen Influenza gestorben war. Stattdessen starb seine Tante, und er konnte sich von dem Erbe die Passiv-Impfung gegen die Scheißviren leisten. Nun gönnte er sich einmal im Monat ein Essen bei Linsey und stählte seinen Körper mit teuren Hormonen, deren Wirkung er in dem halbblinden Spiegel in Connys Bar bewunderte.
Da gab es noch etwas, das er sich gönnte. Aber das konnte er sich nicht mit Geld kaufen; Olson Grame konnte sich kein Vermögen der Welt vorstellen, mit dem er diesen Wunsch hätte befriedigen können. Heute war es wieder soweit. Er hatte am Morgen eine steinharte Latte gehabt, so dass er kaum pinkeln konnte. Den ganzen Tag schon musste er an seine tote Alte denken. Die Bau-Barracken von Newstone-Pahrump , die er jetzt passierte, machten es nicht besser.
»Olson, mein Junge, ich will dir mal was sagen, hättest du weniger gesoffen und dich wie ein Mann um das Dach gekümmert …« Er schüttelte die Erinnerungen an die Worte des Sheriffs ab wie Regentropfen.
Prüfend sah Olson Grame sich in seinem Pickup um – die Axt lag hinten. Seine Bulldogge hatte ihn fast um den Verstand gebellt. Kein Wunder, den letzten Hasen hatte er vor zwei Tagen geschossen. »Ich bring dir nachher Fresschen mit«, hatte er versprochen. »Du passt so lange auf die Hütte auf! Sonst prügle ich dir jeden Knochen einzeln aus dem Leib!« Der Köter hatte gewinselt und sich mit eingezogenem Schwanz in eine Ecke verzogen.
Zielstrebig bog Grame nun in die Purpur-Street von Newstone-Pahrump ab und hielt am Red -Fox. Der Laden gehörte einem New-Yorker Geschäftsmann, der jede Woche neue Nutten auf die Straße schickte. Die Geschäfte waren bereits im vollen Gange. Hier im westlich gelegenen Nye County war Prostitution erlaubt, und in den letzten zwanzig Jahren waren nur zu diesem einen Zweck öde Städte entstanden.
Olson Grame fuhr die Straße im Schritttempo ab und sondierte die Auswahl der Huren: Eine Schwarze im roten Minikleid. Eine Blonde in knackiger Shorts und weißer Bluse. Mächtig fette Titten, dachte er und nahm sie gedanklich in seine Favoritenliste auf. Dann entdeckte er die Rothaarige. Lockiges Haar bis zum Po, Typ Schulmädchen, karierter Rock, Lackschuhe, weiße Söckchen. Er wendete den Pickup. Die oder keine! Doch dann drehte sie ihm den Rücken zu, und er sah einen Schwanz unter dem Rock
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