2030 - Chimaerenblut
wir zum jüngsten Gen-Skandal. Ich habe heute einen Presse-Sprecher der Berliner Sonderkommission zu Gast. Hallo…«
Die Kamera schwenkte auf einen Mann mit grauem Gesicht und wachen graublauen Augen. Aus dem Hintergrund war weiterhin die Stimme des Reporters zu hören. »Die Aktivistengruppe FlashAC hat im Internet beunruhigende Nachrichten verbreitet. Der Hühnerfarmbesitzer Karl Anton Wilmershofen soll in illegale Chimären-Versuche verwickelt gewesen sein. Lässt dies seine Ermordung in neuem Licht erscheinen? Ist der Tierschutzaktivist Leon Blanc unschuldig? Und was ist an den Vorwürfen von FlashAC dran?«
Leon sank auf seinem Stuhl zusammen. Verstohlen blickte er zum Tankstellenbesitzer hinüber. Doch der schien nichts zu bemerken und sortierte Zigarettenschachteln, bunte Kaugummipäckchen und Kondome ins staubige Regal.
» FlashAC hat weder das Analysedokument des Labors herausgegeben, noch die Quelle preisgegeben. Die Beweise können gefälscht sein.«
»Aber es müssen doch in dem abgebrannten Gebäude Spuren gefunden worden sein? Überreste verkohlter Tiere, deren DNA man untersuchen kann?« warf der Reporter ein.
»Nein, da waren nur Knochenreste von Hühnern. Keine Chimären. Es gibt aber eindeutige Indizien, die für Leon Blanc als Mörder von Wilmershofen sprechen. Seine Fingerabdrücke befanden sich auf dem Messer, mit dem der Unternehmer ermordet wurde, und wir haben Haare von Blanc am Tatort gefunden…«
»Es sind, wie Sie schon sagten Indizien…«
»Sie dürfen nicht vergessen, dass Blanc geflüchtet ist. Wenn er nichts zu verbergen hat, warum ist er dann untergetaucht?«
Auf dem Fernseher erschien ein 3-D-Bild von Leon, auf dem er noch seine Pferdemähne hatte.
Der Pressesprecher fuhr fort. »Leon Blanc hatte eindeutig ein Tatmotiv. Schon seit Jahren verfolgt er Wilmershofen , weil er ihm die Schuld am Tod seiner Schwester gibt. Der Salmonellen-Skandal an der Berliner…«
Leon ließ sein Sandwich fallen. »Der Reporter wollte doch über den Gen-Skandal berichten, und jetzt das«, flüsterte er. »Diese Scheiß-Ermittler sollten endlich ihre Arbeit machen. Das ist wieder typisch, dem Skandal gehen sie nicht auf den Grund. Lass uns hier sofort verschwinden.«
Kevin fasste ihn hart am Arm. »Wir gehen in fünf Minuten da vorne ganz lässig raus. Sonst fallen wir auf. Reiß dich zusammen, Mann«, zischte er. »Regel Nummer eins, bis zuletzt völlig normal verhalten. Regel Nummer zwei, keine Alleingänge. Und Regel Nummer drei, wenn sie dich erwischen, dann habe ich von nichts gewusst und dich als Anhalter mitgenommen. Hast du das kapiert, Mann?«
Leon nickte und biss wütend in sein Sandwich. Er musste mit reichlich Kaffee hinterherspülen um schlucken zu können. Der Appetit war ihm gründlich vergangen. Als sie die Tankstelle verließen, räumte der Dicke schwitzend und japsend Kartons unter dem Ladentisch hervor. Er schien von Leons Aufregung nichts mitbekommen zu haben und murmelte ihnen einen zahnlosen Gruß hinterher.
Die nächste halbe Stunde schwiegen sie sich an. Dann spürte Leon Kevins prüfenden Blick auf sich und lenkte ein. »Ich glaube meine Nerven sind mir eben durchgegangen. Tut mir leid.«
»Schon vergessen. Kann jedem passieren.« Kevin trat plötzlich auf die Bremsen. » Kurva !«, fluchte er auf Polnisch. Sie flogen nach vorne. »Scheiße, was ist da los?«
Ein Polizist lenkte sie mit einer Anhaltekelle um. Ehe sie begriffen, was geschehen war, standen sie in einer Reihe weiterer Fahrzeuge in einer Parkbucht. Jetzt wieder auszuscheren war unmöglich. Leon rann kalter Schweiß den Rücken hinunter. Seine Hände begannen zu zittern.
»Bleib ruhig Mann«, herrschte ihn Kevin an und betätigte den Knopf für den automatischen Fensterheber. Dann griff er ins Handschuhfach und holte ein Karten-Mäppchen hervor.
Ein Polizist stellte sich neben das Fahrzeug, nahm Fahrerlaubnis und Fahrzeugschein entgegen und steckte die Chipkarten in den Scanner. Mit ernster Miene blickte er auf die digitale Anzeige, nickte zufrieden und reichte die Karten an Kevin zurück. Dann senkte er den Kopf, um ins Auto sehen zu können. Als er Leon erblickte, weiteten sich seine Augen überrascht. »Fisch-Chimäre?«
Leon bekam keinen Ton heraus. Das war es , dachte er.
»Meine Tochter hat es auch erwischt.« Über das Gesicht des Polizisten zog plötzlich ein weicher Ausdruck. »Ich schätze es waren die Fisch-Stäbchen. Meine Frau wollte unserer Kleinen damit eine Freude machen, als sie
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