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2033 - Tod im Türkisozean

Titel: 2033 - Tod im Türkisozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Wucherungen mußten glücklicherweise nicht zur Gänze durchgehackt werden. Es genügte, ihnen an ihren schmälsten Stellen tiefe, keilförmige Wunden beizubringen, so daß das zersetzende Meereswasser in das nun ungeschützte Pflanzengewebe eindringen konnte. So behandelte Wurzelwucherungen starben im Lauf von wenigen Perioden ab, lösten sich von Paumyrs Rumpf und sanken auf den Grund des Türkisozeans.
    Aber das war schwierig und anstrengend genug.
    Es war nicht einfach, mit der schweren Axt im bremsenden Wasser auszuholen und die richtige Stelle mit der nötigen Wucht zu treffen. Bei größeren Wucherungen trieb Jamaske die säbelartigen Zähne von Schlundreißern in das verwachsene Pflanzenfleisch. Danach mußte sie die Einstichwunde durch seitwärts ausgeführte Schläge mit dem stumpfen Beilende so lange erweitern, bis der so entstandene Spalt dem Meerwasser genügend Angriffsfläche bot.
    Bei jedem Tauchgang sehnte Jamaske den Moment herbei, in dem ihr die Fackelwurzeln ausgingen, so daß sie sich mit klammen Gliedern, unterbrochen durch mehrere Pausen zum Druckausgleich, an den Wiederaufstieg machen konnte.
    Jamaske verfluchte den Türkisozean, der unter Wasser nur eine finstere Wildnis war, sie verfluchte Großpflanzer Belebrando, dem sie ihre Strapazen zu verdanken hatte, und einmal ertappte sie sich sogar dabei, Paumyr, die Eine, zu verwünschen, weil sie nicht selbst dafür sorgen konnte, daß ihr monströser Pflanzenleib seine Form behielt.
     
    *
     
    Vielleicht wäre alles nicht ganz so schlimm gewesen - schließlich gingen die Perioden der Beschneidung irgendwann wieder zu Ende -, wenn Jamaske nicht von allen anderen Pflanzern gemieden worden wäre.
    Und wenn sich nicht zusätzlich auch noch jene Erscheinungen am Silberschirm gezeigt hätten, die in Jamaske die Erinnerung an die grauenerregendste Erfahrung ihres Lebens weckten: an den verheerenden Sturm, in dem sie ertrunken war.
    Es waren verzerrte Phantome, die dem gigantischen schwarzen Zackenzylinder glichen, der damals, in der Periode ihres Todes, beinahe den Silberschirm durchstoßen hatte. Die neuen Erscheinungen waren zwar nicht ganz so riesig - aber genauso furchteinflößend. Und sie kamen immer häufiger. Manchmal materialisierten gleich drei oder vier der schwarzen Phantom-Zylinder irgendwo hinter dem Silberschirm und verursachten ein Gewitter einander überkreuzender Blitze, die wie die Risse in einer zerspringenden Eischale wirkten. Dann wieder waren lediglich ihre funkensprühenden Zacken zu sehen, die wie die scharfen Flossen eines Widderhais durch das milchige Leuchten des Silberschirms schnitten und rötlich glühende Feuerschweife hinterließen.
    Die Unruhe unter den Rautak war beträchtlich. Sie spürten - und sie sahen! -, daß sich jenseits von Auroch-Maxo-55 zutiefst bedrohliche Vorgänge abspielten.
    Und Paumyr, die Eine, sprach nicht zu ihren Kindern. Um sie aufzuklären. Um sie zu beruhigen. Um ihnen die Angst zu nehmen, die mit Fingern aus schwarzem Feuer, nach ihren Herzen griff.
    Bei den Pflanzern machte das geflüsterte Gerücht von der Periode aus Leben und Tod die Runde, von Hauchmén Zovirasch, dem nahenden Ende der Welt. Angeblich waren die schreckenerregenden Zeichen am Silberschirm in den „Legenden aus dem Herzen" vorausgesagt worden, und Großpflanzer Belebrando behauptete sogar, er habe von einem Wissenden, dessen Namen er nicht nennen wollte, erfahren, daß sich Paumyr auf ihren letzten Kampf vorbereite.
    Weshalb auf den letzten Kampf? dachte Jamaske. Hat Paumyr, die Eine, denn jemals kämpfen müssen? Vielleicht gegen eine andere Inzaila? Paumyr, die Eine, ist Paumyr, die Gütige - aber sind alle Inzaila gütig? Oder geht es nicht um andere Inzaila, sondern um das, was von jenseits des Silberschirms zu uns hereinkommen will?
    Jamaskes gedrückte Stimmung wuchs von Periode zu Periode. Sie hätte Latruiz so viel zu fragen gehabt. Aber Latruiz war nicht da, und Jamaske war sich keineswegs sicher, ob er ihr Antworten auf ihre drängenden Fragen hätte geben können - oder hätte geben dürfen.
    Latruiz konnte sie nicht fragen, und Paumyr sprach nicht zu ihr - so sehr Jamaske auch in ihren unruhigen Schlafphasen, wenn sie schweißgebadet aus graugestaltigen Träumen erwachte, nach der Inzaila rief und sie um Hilfe, um Antworten bat.
    Vielleicht hatte Paumyr in Wahrheit noch nie zu den Rautak gesprochen. Vielleicht war das nur ein Märchen der Wissenden, und es gab überhaupt keine Antworten, sondern nur nutzlose

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