2039 - Traumzeit
Traum? Er wusste es nicht, drehte sich ratlos im Kreis, fühlte eisiges Kribbeln entlang der Wirbelsäule und Gänsehaut an den Armen.
Verblüfft betrachtete er den Tisch von langgestrecktovalem Grundriss, der durch meisterhafte Bearbeitung aus dem überdimensionierten blauen Halbedelstein eines Bmerasath herausgeschliffen worden war. Glanzlichter tanzten über die spiegelglatt aufgedampfte Arkonstahl-Arbeitsfläche, im Zentrum erhob sich brusthoch eine kristalline Zwölfeckpyramide.
Zögernd ging Gaumarol zwei, drei Schritte: Die Szenerie ließ sich anfassen, riechen, er war ganz und gar Teil von ihr. Das Aroma des Leders der hochlehnigen Sessel umfing ihn - hier hatten die Imperialen Räte, Adjutanten und Sekretäre gesessen, um mit ihren Imperatoren die Entscheidungen zu treffen, die über die Entwicklung und Ausdehnung, das Wohl und Wehe des Tai Ark'Tussan bestimmten.
Fast scheu streckte Gaumarol die Hand aus, strich über Sessel und Tischplatte, fühlte die kühle Fläche an der Haut, ging weiter. Mit all seinen Sinnen empfand er den Nachklang der einstigen Größe, die selbst durch die Aktivitäten der Imperatrice nicht hatte wiederhergestellt werden können. Noch nicht.
Die ehrfurchtgebietende Atmosphäre hüllte den jungen Adligen ein; jede seiner Bewegungen wurde behutsam, verdeutlichte die respektvolle Zurückhaltung. Vergessen war die Frage, ob es sich um einen Traum handelte. Er war Teil der Szenerie geworden, eingebunden wie in die Pseudorealität eines Fiktivprojektors.
Seine Studien der alten Zeit hatten Gaumarol oft genug die Bilder und Holos dieses Saals vor Augen geführt. Über Jahrtausende, seit der Bmerasath zur Zeit Gwalons I. bearbeitet wurde, waren an diesem Tisch Befehle, Gesetze und Er lasse besprochen und verabschiedet worden. Hier hatten jene Arkoniden getagt, die das Große Imperium von Thantur-Lok zur Öden Insel ausdehnten, die gegen Individualverformer und Methanatmer kämpften, die das Schicksal Tausender Sonnensysteme und Welten in den Händen hielten ..., „... bis sie an ihrer eigenen Größe erstickten, von devoten Robotern und perfekter Technik umsorgt", erklang eine sonore Stimme, und der Sessel des Imperators wurde herumgedreht. „Niedergang und Degeneration! Ein umso tieferer Fall nach unglaublichem Aufstieg, junger Freund! Die Gesellschaft erstarrte, ohne wirklichen Anreiz schien das Leben der bestbehüteten, von größtem Luxus umgebenen Würdenträger zu verlaufen, die sich schließlich sogar in die Scheinwirklichkeiten der Fiktiv- und Simultanspiele zurückzogen."
„Euer Erhabenheit ..." Unwillkürlich nahm Gaumarol Haltung an, vorschriftsmäßig die Beine gespreizt und die rechte Hand auf die linke Brustseite gepresst.
Gonozal III.!
Er stand jenem Herrscher gegenüber, über dessen Leben Gaumarol so gut wie alles wusste, was jemals aufgezeichnet wurde, jenem Höchstedlen, der das Projekt Tiga Ranton verwirklichte und die drei Synchronwelten schuf! „Keine Förmlichkeiten, junger Mann", sagte Gonozal und winkte jovial ab. „Ich bin dir Ratgeber und Freund."
Gaumarol wusste, dass die Familie der Gonozal schon in der arkonidischen Frühzeit als eine der maßgeblichen genannt wurde. Gemeinsam mit den Ragnaari, Zoltral, Quertamagin, Orbanaschal und anderen gehörten sie zu jenen, die den damals noch Urdnir genannten Kugelsternhaufen besiedelten. Sie hatten sich von den akonischen Stammvätern gelöst, wurden zu Arkoniden.
Der Gonozal-Khasurn erlangte rasch die Hochadelswürde eines Großen Kelches, im Laufe der Zeit gingen aus ihm bedeutende Admiräle, Sonnenträger, hochgestellte Beamte, Wissenschaftler und Künstler hervor. Obwohl sie zu den Fürsten und Erzfürsten gehörten, stellten sie erstmals im Jahr 6255 da Ark mit Gonozal I. einen Imperator des Großen Imperiums.
Mapoc da Gonozal wurde 6268 da Ark geboren; als Gonozal III. regierte er von 6295 bis 6342 da Ark. 47 Arkonjahre, die ab dem 25. Regierungsjahr vom Projekt der Drei Welten geprägt wurden. Nach Vorversuchen in anderen Sonnensystemen begann die Umgruppierung der Planeten II und IV; zehn Arkonjahre später war die Grobpositionierung auf der Bahn des dritten Planeten abgeschlossen, obwohl die endgültige Stabilisierung und Feinjustierung noch weitere Jahrtausende in Anspruch nahm.
Sein Gegenüber lachte herzlich auf, sagte in Ergänzung dessen, was Gaumarol förmlich ins Gesicht geschrieben schien: „Schon meine Nachfolger, vor allem aber Metzat der Dritte, begannen damit, die wahre Herkunft
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