2044 - INSHARAM
ausgerichtet hatten, aber eine völlig andere, den Schutz preiszugeben, den die über Jahrtausende bewährten Energieschirme gaben. „Paratron- und HÜ-Schirme aus!" Auf dem Halo verschwanden die Schirme - und mit ihnen die Energiehölle, die die SOL in ihren Klauen gehalten hatte. Es war ein erstaunlicher Anblick. Eben noch schien der übergeordnete Raum, in dem wir uns befanden, das Raumschiff in seiner Mitte unbedingt vernichten zu wollen. Nun lösten sich die Blitze, in denen sich das energetische Chaos manifestierte, einfach auf und gaben den Blick frei auf ein undefinierbares graues Wallen, aus dem der mehrdimensionale Strudel offensichtlich bestand. Nur noch gelegentlich flackerten kleine Entladungen die Prallschirme entlang, die als einzige noch aktiviert waren.
Ich holte tief Luft. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich den Atemangehalten hatte. Erleichtert schlug ich dem Haluter auf den Unterarm, der sich in Höhe meines Kopfes befand, und grinste. Wir hatten es tatsächlich geschafft. „In Ordnung, SENECA, den Prallschirm ausschalten!"
Die letzten Entladungen erloschen, und die SOL schwamm ganz ruhig durch das rätselhafte Medium des Tunnels, nicht mehr von ihrem Antrieb bewegt, sondern gezogen von der undefinierbaren Strömung des geheimnisvollen Sogs.
Ein Strudel, an dessen Ende dieses INSHARAM lag. Was auch immer für ein Ort das sein mochte.
„Was auch immer dieses INSHARAM sein mag", verlieh Icho Tolot meinen Gedanken Ausdruck, während er gleichzeitig weiterhin an den Kontrollen arbeitete, „wir können davon ausgehen, dass wir durch eine Art von Dimensionstunnel hierher gelangt sind. Darauf lässt schon allein das mehrdimensionale Raum-Zeit-Gefüge schließen, und auch erste Messungen deuten darauf hin. Bis allerdings genauere Daten vorliegen ..."
Der Riese von Halut hob mit einer anrührenden menschlichen Geste die mächtigen Schultern.
Für Messungen brauchten wir Fachpersonal, und damit war es noch schlecht bestellt. Die. Medorobots schienen weiterhin überall herumzuschwirren. Roman Muel-Chen und Myles Kantor waren bereits auf den Beinen, unsere Kommandantin Fee Kellind und Don Kerk'radian stöhnten immerhin schon wieder leise vor sich hin. Wie bei dem mentalen Schlag, den die Inzaila Paumyr der SOL mehr oder weniger unabsichtlich versetzt hatte, schienen auch diesmal die Zellaktivatorchipträger oder besonders geschützte Menschen zuerst zu sich zu kommen. „SENECA", sagte Tolot, „Hyperkon-Normaltriebwerke behutsam hochfahren!"
Ein leises, kaum wahrnehmbares Brummen erklang, und auf einzelnen Halos flammten wieder Blitze in dem grauen Wallen auf, das das Schiff umgab. Und das bei zehn Prozent der Maximalbeschleunigung! „SENECA" ,sagte ich, „können wir mit dem Sublicht-Triebwerk unseren Kursbeeinflussen?"
„Negativ. Meinen Extrapolationen zufolge wird es uns selbst bei voller Kapazität nicht gelingen, den Kurs der SOL relativ zu den Begrenzungen des Strudels zu beeinflussen. Aber es brechen wieder. heftige energetische Gegenreaktionen über die Carit-Hülle herein."
„Wer hat dir den Überrang-Befehl erteilt?" Mit dieser Überraschungsfrage wollte ich das Bordgehirn aus der Reserve locken.
Die Superintelligenz ES hatte der Besatzung der SOL den Auftrag erteilt, bis zum 944.8741.87. Segaf vom PlanetenAuroch-Maxo-55 einen Kym-Jorier zu bergen. Immerhin war es uns gelungen, einen Kym mitzunehmen, eine Art Puppen-Kokon. Als wir aber dann von der kurz vor dem Untergang stehenden Welt fliehen wollten, hatte SENECA die Triebwerke blockiert und uns gezwungen, durch das Alshma Ventor zu fliegen, den Dimensionsstrudel, in dem wir uns immer noch befanden. Alles sprach dafür, dass ES dem Bordgehirn diese Überrang-Order erteilt hatte, doch ich hätte gern eine Bestätigung dafür bekommen, nur um ganz sicherzugehen.
Doch mit SENECAS Antwort wurde eher eine rhetorische Frage daraus. „Das wüsste ich aber", antwortete das Bordgehirn lapidar. „Triebwerk ausschalten!" befahl ich. SENECA kam dem Befehl umgehend nach. Offensichtlich schien die Überrang-Order nur dem Kurs durch das Alshma Ventor zu gelten. Ich würde mir aber auf jeden Fall den Kopf darüber zerbrechen müssen, wie wir uns davon überzeugen konnten, dass das Bordgehirn ordnungsgemäß funktionierte und wir uns seiner vollständigen Loyalität sicher sein konnten.
Ein SENECA, der uns jederzeit in den Rücken fallen konnte, würde mich durchaus in den Wahnsinn treiben können, nach allem, was uns bislang widerfahren war.
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