2046 - Neun Stunden zur Ewigkeit
der Obhut des Pflanzenvaters Arystes übergeben hatte. Sie hatte dabei dem Instinkt einer Mutter gehorcht, ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen zu haben. Ihr war nur bewusst gewesen, dass die nüchterne Professionalität der Mediker Delorian nicht würde helfen können. Sie hatte nur mit absoluter Gewissheit gewusst, dass die Mediker Delorian systematisch totpflegen würden. Ihrem Kind konnte keine High-Tech helfen, es brauchte emotionale Zuwendung, um genesen zu können. Die Liebe und Zuneigung einer Mutter. Und die geheimnisvolle Ausstrahlung eines Pflanzenvaters.
Es war Mondra durchaus bewusst gewesen, dass auch sie Delorian kaum würde helfen können, dass sogar ihre Fürsorge Delorians Tod mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht würde verhindern können. Aber sie hatte darin eine winzige Chance gesehen, die, einzige sogar, Delorian zu helfen. Als sie ihren Sohn aus der Intensivstation entführte, da hämmerten ihr die Worte der ernüchternden medizinischen Diagnosen im Kopf: Delorian hat keine Zukunft. Seine Lebensuhr ist praktisch mit der Geburt bereits wieder abgelaufen. In seinem Körper hat ein genetisches Programm eingesetzt, das nicht zu stoppen ist und erst mit seinem Tod enden wird. Das wollte Mondra einfach nicht wahrhaben. Niemand wurde geboren, um einfach nur zu sterben. Am allerwenigsten hatte das ihrem Kind zu passieren. Sie wusste schon, was Delorian benötigte.
Was er in seinem erbarmungswürdigen Zustand brauchte, das waren Wärme und Zuneigung, die Obhut eines liebenden Menschen. Das auf jeden Fall.
Und dann hatte sie die spontane Eingebung mit dem Ableger des Pflanzenvaters Arystes gehabt. Als Ergebnis ihrer Intuition sah sie nun, wie der Pflanzenableger mit dem Ausstoß einer Wolke aus Blütenstaub reagierte. Und das Wunder geschah! Sie entdeckte, wie sich Delorians kleiner Brustkorb auf einmal merklich hob und senkte. Das war nicht bloße Einbildung. Nein, nein, ganz gewiss nicht. Denn Delorian atmete tatsächlich wieder, regelmäßig und tief.
Mondra Diamond konnte das Geräusch seines Atems, der praktisch nicht mehr vorhanden gewesen war, in der Stille ihrer Kabine geradezu hören! Ihr schwindelte vor Glück und Erleichterung. Und sie war dermaßen gerührt, dass sie ihr Kind am liebsten in die Arme genommen und an sich gedrückt hätte. Aber dafür war es viel zu früh. Delorian brauchte zuerst die belebende Nähe des Ablegers von Arystes, dessen kraftvolle Ausstrahlung mit der Wirkung eines Lebensquells. Delorian würde überleben. Das wusste Mondra ab dem Moment, als die violetten Orchideenblüten des Pflanzenablegers eine zweite Wolke aus Blütenstaub ausstießen und über ihr Kind rieseln ließen. Die flirrenden Partikel tanzten einen eigenartigen Reigen über dem Knaben, als folgten sie dem Takt einer unhörbaren lieblichen Melodie, bevor sie sich auf seinen Körper senkten, auf seiner Haut schmolzen wie Schnee und in ihn eindrangen. Und wieder wurde Delorians Herzschlag um eine Spur fester, sein Atem noch kräftiger.
Es gab diese geheimnisvolle Verbindung zwischen ihrem Kind und dem besonderen Pflanzenableger, von der Mondra immer überzeugt gewesen war. „Es wird alles gut", frohlockte sie. „Jetzt wird alles gut, Delorian." Mondra konnte es selbst kaum fassen, dass ihre verzweifelte Rettungsaktion solch erfreuliche Auswirkungen zeigte. Es war ein eher irrationales Unterfangen gewesen, wie sie sich rückblickend eingestehen musste. Sie konnte sogar die Reaktionen der Mediker nachträglich durchaus verstehen. Aber der Erfolg gab ihr Recht. Was konnte einer besorgten Mutter, die Todesängste um ihr Kind ausstand, auch Schöneres widerfahren, als dem Sterben ihres Kindes Einhalt zu gebieten!
Das Geräusch des Türsummers riss sie aus ihrer Euphorie in die Wirklichkeit zurück. Mondra erstarrte für einen Moment. Sie konnte sich schon vorstellen, wer das war. Wütend ergriff die ehemalige TLD-Agentin den Thermostrahler, der ihr schon einmal von Nutzen gewesen war, entsicherte ihn und schaltete das Bildsprechgerät ein. „Verschwindet!" sagte sie mit entschlossener Stimme. „Ihr bekommt Delorian nie. Es geht ihm hier gut."
Erst dann erkannte sie, dass vor ihrer Tür keiner der Mediker und auch niemand vom Wachpersonal stand. Es war das Gesicht des Arkoniden Atlan.
Im Hintergrund waren noch zwei humanoide Personen zu erkennen und ein Ausschnitt der riesenhaften Gestalt des Haluters Icho Tolot. „Wir sind nicht gekommen, um Delorian zu holen", sagte Atlan mit seiner
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