2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)
ich kann versuchen, neutral zu sein, oder zumindest meine Voreingenommenheiten aufzeigen, wenn sie meine Schlüsse offenkundig beeinflussen. Meine stärksten Vorurteile rühren wahrscheinlich eher daher, dass ich Bürger eines wohlhabenden, industrialisierten Landes mit einer wissenschaftlichen Ausbildung und einem tiefen Respekt vor der Natur bin. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch meine von der herkömmlichen Meinung häufig abweichende Haltung erklären.
Eine Prognose versus Szenarios
Wenn man GdW als Vergleich heranzieht, muss man mit dem wichtigsten Unterschied beginnen: damit, dass GdW keine Prognose war, sondern eine Szenarioanalyse. Der ursprüngliche Bericht beschäftigte sich mit der Frage, wie globale Bevölkerung, Industrialisierung, Nahrungsmittelproduktion, Ausbeutung der Rohstoffreserven und Umweltverschmutzung bis zum Jahr 2100 auf verschiedene denkbare politische Entwicklungen reagieren würden: Was würde geschehen, wenn man mehr Geld für die Geburtenregelung verwendete? Was würde geschehen, wenn man Anbaumethoden veränderte, um die Bodenerosion zu reduzieren? Was würde geschehen, wenn es tatsächlich weniger nicht erneuerbare Ressourcen auf der Welt gäbe, als man damals glaubte? Was würde geschehen, wenn die Menschen ihre Romanze mit dem Wirtschaftswachstum beendeten?
GdW lieferte die Antwort in Form von zwölf verschiedenen Szenarios für die globale Zukunft bis 2100. Einige waren deutlich unattraktiv, zeigten sie doch das Wachsen der Menschheit über die dauernd erhaltbare Tragfähigkeit der Erde hinaus und ihren Rückfall auf einen niedrigeren Lebensstandard nach einer Grenzüberziehung (overshoot) . Andere skizzierten weniger rigorose Entwicklungen, erreichbar (im Modellsystem) durch eine vorausschauende Sozialpolitik, die zur Stabilisierung des Systems beitrug. Ich glaube, ein Grund, weshalb das Buch so viel diskutiert wurde, war, dass viele die Stabilisierungsmaßnahmen (etwa Obergrenzen des Pro-Kopf-Verbrauchs) als Zumutung empfanden. Man hielt die Medizin für schlimmer als die Krankheit.
Implizit unterstützte GdW jene Strategien, die dazu beitragen, das Weltmodellsystem zu stabilisieren, doch die wichtigste Botschaft des Buches lag auf einer höheren Aggregationsebene. GdW konstatierte, dass das Wachstum der Weltbevölkerung und der Weltwirtschaft in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts an die physischen Grenzen des Planeten stoßen würde. Wegen großer Verzögerungen bei Reaktionen und Entscheidungen werde die Welt diese Grenzen überschreiten und in overshoot kommen, aus der es nur zwei Auswege geben werde: »gesteuerter Niedergang« oder »durch die Natur ausgelöster Zusammenbruch«. GdW empfahl eine vorausschauende Politik und rasches Handeln, um Grenzüberziehung zu vermeiden und eine nachhaltige und gerechte Gesellschaft im Rahmen der Tragfähigkeit des Planeten zu schaffen.
Bezüglich der äußerst beschränkten Vorhersagekraft seiner Aussagen war GdW sehr klar. Die Daten und das Wissen von damals reichten nicht aus, um konkrete Prognosen innerhalb enger Unsicherheitskorridore zu unterstützen. Glaubwürdig dargelegt werden konnten lediglich Aussagen bezüglich »Verhaltensweisen«, die breite Trends und Entwicklungsstrukturen beinhalteten. GdW brachte sehr klar zum Ausdruck, dass weder vorausgesagt werden könne, wann ein Niedergang eintreten werde, noch welche Art von Grenzüberziehung am wahrscheinlichsten sein werde. Der Bericht lenkte das Augenmerk jedoch auf die Bedrohung durch die physischen Grenzen: Ressourcenknappheit und Umweltschäden. »Weichere« Bedrohungen wie rasch zunehmende Ungerechtigkeit oder kultureller Verfall wurden in den Hintergrund gestellt.
Der folgende Abschnitt befasst sich detaillierter mit den Aussagen von GdW , da dies zum besseren Verständnis des vorliegenden Buchs beiträgt.
2052 als weitere Ausarbeitung
Im weitesten Sinn kann meine Prognose als Ausarbeitung eines der Grenzüberziehung-und-Niedergang-Szenarios in GdW betrachtet werden. Sie befasst sich mit einer Welt, die sich rasch auf eine von einer sehr offensichtlichen Grenze verursachten Klimakrise zu bewegt: nämlich die begrenzte Kapazität der Erdatmosphäre, CO 2 aufzunehmen, ohne sich zu erwärmen. Meine Prognose rührt auch an andere Grenzen, etwa die endlichen Reserven an fossilen Brennstoffen, die endliche Verfügbarkeit von Ackerland, endliche Wildfischvorkommen und endlichen Raum für Biodiversität; grundsätzlich besagt sie jedoch, dass in den nächsten 40
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